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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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haben sie zerlegt und die Teile verkauft.«
    Er sah, wie Haufeld instinktiv checkte, ob sein Portemonnaie noch in der Gesäßtasche steckte. Dann nickte er. »Kein Mord oder so was?«
    »Dann wär ich nicht hier«, sagte Luk. »Mörder sitzen im Knast, soweit ich weiß.« Er zögerte. Er wollte das positive Bild, das sich der Vermesser anscheinend von ihm gemacht hatte, nicht gleich wieder zerstören. Aber dann entschied er sich für die Wahrheit. »Wir haben mal einen alten Mann niedergeschlagen und ihm sein Geld abgenommen.«
    »Und deshalb bist du hier, richtig?«
    Luk zögerte wieder. Er hätte nur zu nicken brauchen, das spürte er, und die Sache wäre abgehakt gewesen zwischen ihnen. Aber er schüttelte den Kopf. »Ins Camp haben sie mich geschickt wegen Sachbeschädigung.«

    »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Du schlägst einen Rentner zusammen, klaust ihm sein Geld und kommst damit durch. Aber wegen Sachbeschädigung …«
    »Das war ein Riesending«, sagte Luk. »Ich meine, sogar im Fernsehen wurde darüber berichtet. Nicht dass ich stolz darauf bin. Dieser Gläserne Bahnhof über den Gleisen.«
    »Aus absolut bruchsicherem Glas?« Der Ingenieur sah Luk neugierig an. »Als sie den Ministerpräsidenten wieder ausladen mussten? Das warst du?«
    »Nicht allein natürlich. Unsere Gang war das.«
    »Und warum?«
    Luk wich dem Blick des Vermessers aus. »Keine Ahnung. Ehrlich, ich weiß es wirklich nicht. Das hat sich einfach so hochgeschaukelt. Wir waren ziemlich besoffen, aber das soll jetzt keine Entschuldigung sein. Mein Vater musste über 100 000 Euro hinblättern.«
    »Du meinst, alle eure Väter zusammen.«
    »Stimmt«, sagte Luk. »Aber bei den anderen war nichts zu holen. Am Ende hat mein Vater immer alles allein bezahlt.«
    »Trotzdem«, sagte Haufeld. »Irgendwie will mir das nicht in den Kopf. Wenn du wegen des alten Mannes hier wärst, das könnte ich ja verstehen. Das ist einfach ganz schlimm. Aber …«
    »Ich hatte einen sehr guten Anwalt«, sagte Luk. »Er wollte, dass ich alles abstreite. Wir haben es einfach drauf ankommen lassen. Und bei der Gegenüberstellung war der alte Mann so aufgeregt, dass er mich nicht eindeutig wiedererkannt hat. Er sei zu 90 Prozent sicher, sagte er, aber er wolle mir nicht meinen Lebensweg verbauen. Er wusste wohl, dass ich von der Schule geflogen wäre.« Ihm fiel ein, was Dr. Enno Schwarz bei ihrem letzten Gespräch angedeutet hatte. »Das Verfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Einer meiner
Kumpel hat mich wohl belastet, als sie ihn wegen des Gläsernen Bahnhofs unter Druck gesetzt haben.«
    Haufeld nickte. »Aber warum hat dein Anwalt dich jetzt nicht wieder rausgehauen?«
    »Mein Vater hat ihn nicht mehr bezahlt. Er hat seine Kostenübernahme-Zusage zurückgezogen. Meine Ausraster sind ihm wahrscheinlich zu teuer geworden.«
    Der Ingenieur schwieg so lange, dass Luk schon glaubte, das ganze Thema interessiere ihn in Wirklichkeit überhaupt nicht. Aber dann sagte er plötzlich: »Wenn du mein Sohn wärst …«
    Luk merkte, dass er auf Abwehr schaltete. Solche Töne kannte er zur Genüge. Sein Vater hatte ihn sich oft genug zur Brust genommen, wenn wieder mal eine dieser Riesenrechnungen ins Haus geflattert war.
    »Weißt du, ich hätte einfach nur Angst«, sagte der Vermesser. »Um dich, meine ich. Nach diesem Überfall auf den alten Mann, da hätte ich gedacht, was kommt als Nächstes? Dass du jemanden totschlägst vielleicht? Ich hätte einfach nur noch überlegt, wie ich die Notbremse ziehen kann.«
    Luk überlegte, was er sagen sollte. Aber während er noch nachdachte, merkte er, dass der Ingenieur gar keine Antwort zu erwarten schien. In kleinen Schlucken trank er seinen Kaffee. Er hatte den Becher in beide Hände genommen und ließ sich viel Zeit. »Vielleicht gebe ich dir morgen meine Karte«, sagte er schließlich. »Kannst mich ja mal anrufen, wenn du hier raus bist. Ich könnte einen Praktikanten wie dich brauchen. Aber mach dir keine Illusionen. Viel Geld ist da nicht drin für dich. Aber vielleicht eine Perspektive. Ein neuer Anfang sozusagen.«
    Der Vermesser musste schon seit Tagen auf der Lichtung
aktiv gewesen sein. Je länger Luk mit ihm arbeitete, desto mehr wunderte er sich darüber, dass er nichts davon mitbekommen hatte. Ein großer Teil des Geländes war mit kurzen rotköpfigen Holzpflöcken übersät. Jedes Mal wenn sie einen Punkt vermessen hatten, musste Luk so einen Pflock in die Erde treiben. Haufeld hatte ihm dafür

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