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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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bei Luk an. Er streckte die Hand nach der Karteikarte aus, warf aber kaum einen Blick darauf.
    »Schon mal auf dem Bau gearbeitet?«, fragte er in einem Ton, der erkennen ließ, dass er eher nicht davon ausging.
    Luk wollte schon den Kopf schütteln. Er hatte sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt, dass er nun auf Stufe zwei war und sprechen durfte. Aber Harley schaltete sich ein.
    »Doch, hat er«, behauptete er. »Nur als Hilfsarbeiter in den Ferien, aber immerhin.«
    Pannewitz zögerte kurz. Man sah ihm an, dass er fragen wollte, woher Harley das wisse. Doch dann nickte er gleichgültig und scheuchte Luk zu der neuen Gruppe hinüber, die inzwischen schon größer war als die alte.

    Was das alles sollte, begriff Luk erst, als er mit seinem neuen Zug durch den Wald marschiert war. Am Rand der Lichtung, auf der er nun schon seit Wochen Bäume gefällt hatte, stoppte ein Lastwagen.
    »Abladen!«, befahl Pannewitz, der anscheinend die Befehlsgewalt über die beiden neuen Züge hatte.
    Auf der offenen Ladefläche des Lasters waren Schubkarren festgezurrt. Alle gebraucht, manche so verbeult, dass man unwillkürlich nach den Reifen sah. Viele der Räder hatten einen Plattfuß.
    Wo sie diesen elenden Schrott wohl aufgetrieben hatten? Aber garantiert waren die Schubkarren spottbillig gewesen. Oder hatten gar nichts gekostet. Vielleicht waren es die Reste einer pleitegegangenen Baufirma.
    Von den über 100 Jugendlichen des Camps waren circa 60 oder 70 den beiden neuen Zügen zugeteilt worden. Die übrigen 30 bis 40 bildeten einen eigenen Zug, dessen Aufgabe genau das war, was sie alle bisher getan hatten: Bäume fällen.
    Luk war nach der nächtlichen Abreibung so erledigt, dass er gar nicht erst den Versuch machte, auf die Ladefläche des Lastwagens zu klettern. Er musste sich heute irgendwie durchmogeln.
    Plötzlich tippte ihm Harley von hinten auf die Schulter. »Ich hab dich für den Vermesser eingeteilt.«
    Hinter dem Lastwagen stand ein alter Bully, der anscheinend gerade erst angekommen war. Ein ausgemustertes Postauto. Der gelbe Lack war stumpf geworden. Am Steuer des VW-Busses saß ein dürrer, bärtiger Mann in den Fünfzigern und rauchte ungeduldig. Sein kurz gehaltener dunkler Bart hatte auf der linken Kinnseite einen schneeweißen Fleck. Der Mann drückte seine Zigarette aus, schob den Hemdsärmel
zurück und schaute demonstrativ auf seine klobige Armbanduhr.
    »Na endlich. Ich dachte schon, heute kommt überhaupt keiner mehr.« Er stieg aus und streckte Luk die Hand hin, blieb dabei aber auf Distanz. »Olav Haufeld, Vermessungsingenieur.«
    Misstrauisch musterte er Luk.
    »Rauchst du?«
    »Nee«, sagte Luk.
    »Na, Gott sei Dank. Dann gibt’s jedenfalls damit keine Probleme. Deinen Vorgänger musste ich melden. Der konnt’s wohl einfach nicht lassen: Hat mir’ne fast volle Packung Zigaretten geklaut.«
    Luk brauchte einen Moment, um das zu verdauen. Aber klar, für einen von draußen war dies natürlich eine Art Knast und die Insassen waren Kriminelle.
    »Tut mir leid«, sagte er.
    DerVermesser sah ihn irritiert an. Dann kurbelte er die Seitenscheibe des Bullys hoch, schloss die Fahrertür ab und zog noch einmal am Griff, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich zu war. »Passiert mir nicht noch mal«, knurrte er.
    »Klar«, sagte Luk.
    Er musste diesen komischen Kauz auf seine Seite bringen. Dabei hatte er schon Mühe, sich überhaupt auf den Beinen zu halten. Mit einer Schaufel in der Hand hätte er schon vor der Mittagspause schlappgemacht.
    Der Job bei Haufeld dagegen erwies sich als Schongang. Er brauchte nur eine dieser rot-weiß gestreiften Stangen zu halten, während der Vermesser sie durch sein Okular anvisierte.
    »Zwei nach rechts!«, rief Haufeld.
    Luk hatte bald raus, was damit gemeint war. Er trug die Stange etwa zwei Meter nach rechts, richtete sie senkrecht
aus und behielt dabei die ganze Zeit Haufelds Handzeichen im Auge, damit er sofort reagieren konnte, wenn er sich verschätzt hatte.
    Beim Mittagessen fragte der Ingenieur: »Hast du so was schon mal gemacht?«
    »Vermessen?«
    »Ja.«
    »Noch nie«, sagte Luk.
    »Dann bist du ein echtes Naturtalent. Schon mal überlegt, was du später mal machen willst? Als Beruf, meine ich?«
    »Nicht wirklich«, sagte Luk.
    Der Ingenieur zögerte. »Darf ich fragen, weshalb du hier bist?«
    »Klar«, sagte Luk. »Ich hab ein paar Schaufenster zu viel eingeschlagen.«
    »Das ist alles?«
    »Und ich hab geklaut«, sagte Luk. »Fahrräder. Wir

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