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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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gewesen sei, und so weiter.
    Als Wladimir den Brief durchgelesen hatte, fing er gleich noch mal von vorn an. Wort für Wort folgte sein Zeigefinger den Zeilen. Als er fertig war, hielt er Luk seine Handfläche hin. Luk, der schon befürchtet hatte, Wladimir könne sich verarscht fühlen von seinem schnulzigen Text, schlug erleichtert ein.
    An der Tür drehte Wladimir sich noch mal um. »Morgen«, sagte er.
    Luk kapierte nicht gleich. »Was soll dann sein?«

    »Zahltag«, sagte Wladimir.
    He, dachte Luk, was ist denn mit dem los? Woher kennt der solche Wörter?

31
    Beim Appell am nächsten Morgen war Briefausgabe. Luk hatte gehofft, dass Judith antworten würde. Es war jetzt sieben Tage her, dass er dem Vermessungsingenieur seinen Brief mitgegeben hatte.
    Sie hatten nie wieder ein Wort darüber verloren. Das konnte ein gutes Zeichen sein. Oder ein schlechtes. Vielleicht hatte Haufeld den Brief einfach in den nächsten Mülleimer geworfen. Wozu sollte er seinen Job riskieren?
    Luk hoffte bis ganz zum Schluss. Aber Pannewitz rief ihn nicht nach vorn an diesem Morgen.
    Judith hatte nicht geschrieben.
    Dafür passierte etwas anderes. Zum Abschluss des Morgenappells wurden noch einige Umstufungen bekannt gegeben. Acht oder neun Typen wurden zurückgestuft, für einen von ihnen ging es sogar gleich um zwei Etagen abwärts. An der Art, wie sich der Typ nach vorn schleppte, war abzulesen, dass er dem verschärften Tempo in den Baugruben nicht gewachsen war.
    »Luk!«, rief Pannewitz.
    Luk reagierte nicht. Er hatte nicht aufgepasst. Er war davon ausgegangen, dass er wegen seines Vermesserjobs erst mal aus der Schusslinie war.
    »Luk«, wiederholte der Zugführer.

    Jemand stieß Luk an. »Der meint dich, du Blödi!«
    Einige lachten, brachen aber sofort ab, als die Gruppenführer sie mit warnenden Blicken fixierten.
    »Hier, Herr Zugführer!« Luk stolperte nach vorn und nahm vor Pannewitz Haltung an.
    »Stufe drei«, sagte Pannewitz. »Abtreten!«
    Während Luk an seinen Platz zurückkehrte, überlegte er, was ihm denn zu dieser Ehre verholfen hatte. Bei einigen dauerte es Monate, bis sie in die nächste Stufe aufstiegen. Hatte Haufeld ein Wort für ihn eingelegt? Als kleine Entschädigung dafür, dass er den Brief an Judith nicht in den Kasten geworfen hatte.
    So kam es, dass Luk nicht gleich mitbekam, wen Pannewitz als Nächsten nach vorn rief.
    »Benjamin!«, bellte der Zugführer.
    Erst als Luk schon wieder in Reih und Glied stand und sah, wie Benni auf seinen lädierten Füßen nach vorn humpelte und den frisch gewaschenen Overall und die Stiefel in Empfang nahm, begriff er endlich.
    Das also hatte Wladimir gestern Abend gemeint.
    Zahltag.
    Später auf dem Marsch durch den Wald sah er weiter vorn Benjamin in seinen neuen Stiefeln. Benni war aufgerückt. Er ging nicht mehr als Letzter in seiner Gruppe. Hinter ihm kam noch ein Neuer, der es ganz offenkundig nicht gewohnt war, mit bloßen Füßen zu gehen. Er bewegte sich mit seltsamen Verrenkungen. Natürlich humpelte auch Benni immer noch, aber längst nicht so stark wie früher.
    Haufeld lehnte an seinem gelben Bully. Er rauchte nervös und wirkte seltsam aufgekratzt an diesem Morgen. Klar, der Vermessungsingenieur war stolz auf sich. Er hatte erreicht, dass Luk hochgestuft wurde.

    Luk überlegte, ob er sich bedanken sollte. Doch irgendetwas warnte ihn. Vielleicht war es besser, wenn er überhaupt nichts sagte.Wenn er einfach so tat, als wäre alles wie immer.
    Sie kamen gut voran an diesem Morgen. Als zum Mittagessen gerufen wurde, setzten sie sich wieder nebeneinander auf einen Baumstamm und löffelten ihren Eintopf.
    Haufeld stellte seine Essschüssel auf den Stamm und holte sein Feuerzeug heraus. Mit der anderen Hand tastete er die Taschen seines Overalls ab. »Mist, ich hab die Zigaretten im Wagen gelassen.«
    »Ich hol sie Ihnen.« Luk zögerte. Der Bully war abgeschlossen.
    Haufeld hielt ihm den Schlüssel hin. Es war das erste Mal, dass er das machte. »Müssen auf dem Beifahrersitz liegen. Oder im Handschuhfach. Aber lass dir Zeit. Ich rauch sowieso zu viel.«
    Die Zigarettenschachtel war nicht zu übersehen. Sie war mitten auf dem Beifahrersitz auf einem weißen Briefumschlag deponiert. Der Brief war an Dipl. Ing. Olav Haufeld adressiert. In der linken oberen Ecke stand der Absender: Judith Werner .
    Judith!
    Luk drehte sich nach Haufeld um. Er wollte sich auf keinen Fall dem Verdacht aussetzen, dass er hier herumschnüffelte. Der Ingenieur schien ihn die

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