Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
Menschen zeigten. Wie meist war es schwer, das Motiv für das zigfache Morden auszumachen.
Und natürlich machten schon am Abend Gerüchte über Uneinigkeiten im Pentagon die Runde.
»Wir können nicht einfach danebenstehen und zusehen«, sagte Senator Brig Nelson. Nelson war der Vorsitzende des Senate Committee on Armed Services und Mitglied der Partei des Präsidenten. »Es ist Zeit, dass wir etwas unternehmen«, fuhr er fort, zu Gast bei Editor-at-Large. »Und ob ich denke, der Präsident habe die Absicht, gegen diese Killer zu Felde zu ziehen? Ich möchte ihm keine Worte in den Mund legen. Aber ich wäre entsetzt, sollte sich in den nächsten paar Tagen nichts tun.«
Lyra seufzte. »George, warum sehen wir uns nicht Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten an?« Gelegentlich, wenn die Außenwelt es zuließ, machten Lyra und George es sich am Abend mit einem Filmklassiker gemütlich. Sie entschieden sich stets für eine Komödie. Aber dazu kam es nur selten. Normalerweise müssten sie ein Bankett beehren, oder es stand eine der Künstler-des-Monats-Veranstaltungen an oder die Haubrich Commission, die den neuesten Zusammenbruch der nationalen Infrastruktur untersuchte, berief eine Dringlichkeitssitzung ein. »Ich fürchte, das wird nichts«, meinte George. Er war derzeit viel zu aufgewühlt.
Lyra streckte die Hand aus und berührte sacht seine Schulter, versuchte, ihn daran zu erinnern, dass er nicht allein sei. Sie sah immer noch gut aus. Wunderschöne Augen, weiches braunes Haar und ein unwiderstehliches Lächeln. Die Medien waren sich einig, dass sie auf einer Ebene mit Jackie, Laura und Michelle stand. Aber einer der Kommentatoren von Fox war der Ansicht, die First Lady müsse ihrer Kleidung mehr Aufmerksamkeit widmen. Und eine der Damen bei NBC sagte, sie könnte ein wenig diplomatischer sein. Tatsächlich neigte Lyra dazu, zu sagen, was sie dachte. Definitiv ein Nachteil auf dem politischen Parkett. Ganz besonders, wenn Lyra Bemerkungen machte, wie die, dass der Sprecher des Repräsentantenhauses vermutlich nicht so erpicht darauf wäre, sich in den Krieg zu stürzen, trüge einer seiner nächsten Angehörigen Uniform. (Der Sprecher gehörte ebenfalls der Partei des Präsidenten an.) Und gerade letzte Woche hatte Lyra erklärt, Leute, die Familienplanung ablehnten, sollten lernen zu zählen.
»George«, sagte sie, »bist du es nicht langsam leid, von diesen Schwachköpfen attackiert zu werden?«
»Nimm sie nicht zu ernst, Liebling!«
Lyra wollte Nelson los sein, konnte aber die Fernbedienung nicht finden. »Wenn wir nicht handeln, und zwar entschlossen«, sagte der gerade in seinem üblichen, herablassenden Ton, »werden wir am Ende den Preis dafür bezahlen müssen. Und irgendwann versuchen wir dann, unseren Enkeln zu erklären, warum wir nur dagestanden und nichts getan haben.«
»Er hätte vielleicht eine andere Einstellung«, sagte Lyra, »hätte er je in Dover stehen und zusehen müssen, wie die Leichen zurückgebracht werden.«
»So etwas habe ich auch nie tun müssen, Lyra.«
»Und meiner Ansicht nach tust du gut daran, es dabei zu belassen!«
Der Moderator brachte Blackstones Mondmission zur Sprache. »Sie sind schon beinahe wieder zu Hause, Senator. Was glauben Sie, hat das alles zu bedeuten?«
Nelson hätte sich beinahe am Kopf gekratzt, konnte sich aber offenbar gerade noch zurückhalten. »Ich gestehe, Jules, ich bin verblüfft. Und ich wette, das Weiße Haus ist genauso ratlos wie alle anderen auch.« Er schaute in die Kamera und spielte seine gewohnte Rolle als Weiser von Washington. »Aber eines kann ich Ihnen verraten: Wir werden eine Untersuchung einleiten, um genau zu ermitteln, was geschehen ist und was man zu verheimlichen versucht hat.«
»Genau«, sagte Lyra. »Weißt du, George, ich würde zu gern erleben, dass einige dieser Leute hier stehen und Entscheidungen treffen müssten. Vielleicht …«
Die Rennbahnmelodie ertönte, und Lyra verdrehte die Augen. Sie konnte den Klingelton auch nicht leiden.
Es war Ray. »Mr President«, sagte er, »wir haben jemanden aufgetrieben.«
»Vom DNC?«
»Ja. Ihr Name ist Audrey Conroy Sie war Buchhalterin.«
»Hervorragend!«
»Sie ist im Ruhestand. Lebt in Washington State. Soll ich Weinstein losschicken, damit er mit ihr spricht?«
George überlegte kurz. »Nein«, sagte er dann. Angesichts dessen, dass er gar nicht damit gerechnet hatte, noch einen lebenden Zeitzeugen aufzutreiben, war er angenehm überrascht. »Dafür
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