Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
haben wir die Zeit nicht. Rufen Sie sie an, Sie werden sie befragen! Bauen Sie die Sache so auf, dass ich mithören kann!«
In der Zwischenzeit führte George eine kurze Suche durch. Conroy hatte sechs Monate über den Einbruch hinaus bei den Demokraten gearbeitet und dann eine Stelle im Innenministerium angetreten. Etwa zu der Zeit, als Jimmy Carter ins Weiße Haus gekommen war, hatte sie ihren künftigen Ehemann kennengelernt, einen Zahnarzt, der Urlaub in D. C. gemacht hatte. Einige Monate später hatten sie geheiratet und waren in seine Heimatstadt Walla Walla gezogen. Heute war Audrey Conroy Großmutter. Vier Kinder, sieben Enkel.
Lyra beobachtete George teilnahmsvoll. »Das ist ein sinnloses Unterfangen, George, das ist dir doch klar.«
»Wahrscheinlich«, räumte er ein.
»Ich hoffe, deine Biografen werden nie davon erfahren.« Sie riss die Augen weit auf. »Ich sehe es schon vor mir: Kapitel siebzehn – Die Jagd nach Watergate.«
Editor-at-Large war in der Werbepause. Anwälte erschienen auf dem Bildschirm und versicherten dem Publikum, sie würden bis zum Ende für sie kämpfen.
Dann meldete sich Ray erneut. »Mr President, wir haben sie dran.«
»Gut.« George aktivierte Skype. Audrey Conroy erschien auf dem Bildschirm. Sie saß an einem Tisch und wirkte etwas durcheinander, eine verständliche Reaktion für jemanden, der gerade erfahren hatte, dass das Weiße Haus ihn zu sprechen wünsche. Aber sie schaute direkt in die Kamera und sprach mit ruhiger Stimme.
»Ja, Mr Chambers, was kann ich für Sie tun?« Sie war groß, hatte klare braune Augen und kurz geschnittenes Haar. Sie trug eine hellblaue Bluse. Ihre Miene reflektierte ein gewisses Amüsement ob der eigenen Nervosität. Wie eine Großmutter sah sie beileibe nicht aus.
»Ms Conroy, wir versuchen ein paar Details in Hinblick auf die DNC-Zentrale im Watergate aufzuklären.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Während der Nixon-Jahre.«
Flatternd schlössen sich ihre Lider. Dann blickte sie wieder auf und atmete tief durch. »Sie machen Witze.«
»Nein, Ma’am.«
»Es gibt noch eine Untersuchung?«
»Nein, nein.« Der Stabschef bemühte sich sehr um eine beruhigende Wirkung. Jetzt stell endlich die verdammten Fragen, Ray! »Nichts dergleichen.«
»Oh. Gut, da bin ich erleichtert.«
»Ja. Wir versuchen nur, ein paar Kleinigkeiten richtigzustellen. Klingelt es bei Ihnen bei dem Namen Cohen?«
Ihre Stirn legte sich in Falten. Dann breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihren Lippen aus. »Sie meinen Larrys alten Kumpel?«
»Sprechen wir von Lawrence O’Brien?«
»Ja. Meinen Sie den?«
»Ja, genau den.«
Das Lächeln wurde noch breiter. »Jack Cohen. Klar. Das ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich diesen Namen höre.«
»Wie gut kannten Sie ihn?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nicht besonders gut. Er kam dann und wann ins Büro, und dann haben Larry und er sich zusammengesetzt und geredet.« Cunningham sah ihr an, wie sie im Geiste durch die Zeit zurückreiste. »Er kam mir recht nett vor. Aber er war nicht das schnellste Pferd im Stall.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er war so ein typischer Akademiker. Hat mit Vorliebe über ägyptische Gräber und so ein Zeug geredet. Ich habe nie begriffen, was Larry in ihm gesehen hat. Ich meine, Larry war so ein bodenständiger Mensch, verstehen Sie?«
»Ja, sicher.«
»Okay. Jedenfalls, Cohen war irgendwie nie so ganz in dieser Welt. Aber in dem Punkt war Larry ihm ein bisschen ähnlich. Ich meine, er hatte eine gute Vorstellungsgabe. Und er war klug. Aber Cohen wirkte immer irgendwie verloren. Ich weiß noch, einmal, da hat er Larry Karten für ein Theaterstück in einem der Colleges versprochen. Aber dann konnte er sie in seiner Tasche nicht finden. Also hat er seine Aktentasche durchwühlt. Er hat auch Karten gefunden, aber die waren für eine Show in der Innenstadt. Thurber Carnival war es, glaube ich. Die Karten waren schon zehn Jahre alt. Ich erinnere mich, dass ich ihn gefragt habe, ob etwas passiert sei, weil er sie nicht benutzt habe. Er hat nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, er wisse es nicht mehr. Es sei zu lange her.«
»Hat er die richtigen Karten auch noch gefunden?«
»Daran erinnere ich mich nicht. Das war vor langer Zeit, Mr Chambers.«
»Was können Sie mir sonst noch über seine Aktentasche erzählen? Hat er sie je in dem Büro im Watergate gelassen?«
Sie dachte darüber nach. »Eigentlich nicht«, sagte sie nach einer Weile. »Aber einmal war da
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