Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
Sie darüber nach, Mr Culpepper. Wenn Sie etwas so Wertvolles hätten, wo würden Sie es verstecken?«
»In meinem Bankschließfach«, sagte Jerry.
»Seien Sie nicht albern, Mr Culpepper! Dies ist eine Angelegenheit von weltweiter Bedeutung. Fragen Sie sich doch einfach mal …«
»Ich sagte ja schon: Ich würde es einer Bank anvertrauen.«
»Lassen Sie mich ausreden!«, verlangte die Stimme. »Banken werden ständig ausgeraubt.«
»Okay«, sagte Jerry. »Was sollte ich mich also fragen?«
»Was würde Sherlock Holmes tun?«
»Er würde das Problem lösen«, entgegnete Jerry gereizt.
»Tun Sie doch nicht so begriffsstutzig, Mr Culpepper. Sie kennen die Antwort.«
» Welche Antwort, verdammt noch mal?«, blaffte Jerry. Aber das Klicken am anderen Ende der Leitung war sogar für Bucky deutlich zu hören.
Jerry legte auf. »Und? Was halten Sie davon?«, fragte Bucky. »Haben Sie die Stimme erkannt?«
Jerry schüttelte den Kopf. »Nein.« Er überlegte kurz. »Aber das hat sich nicht nach einem Telefonscherz angehört.«
»Ganz meine Meinung. Auf jeden Fall müssen wir das verfolgen.«
»Verfolgen? Und wohin wird uns das führen?«, fragte Jerry frustriert.
»Keine Ahnung«, gestand Bucky. »Noch nicht.«
»Ich weiß nicht einmal, wo zum Teufel wir auch nur anfangen sollen.«
»Bei dem Hinweis«, meinte Bucky.
»Welchem Hinweis?« Inzwischen brüllte Jerry beinahe.
»Sie haben es doch gehört: Was würde Sherlock Holmes tun?«
»Und Sie haben meine Antwort gehört: Er würde das verdammte Problem lösen.«
»Ja … aber wie?«, gab Bucky zurück. »Das war der eigentliche Hinweis.«
»Ich verstehe Sie so wenig, wie ich den Kerl verstanden habe.«
»Aber die Sache ist faszinierend, Jerry, nicht wahr? Ich weiß nicht, was wir gefunden haben. Ein paar Metallplatten aus einer möglichen Kuppel, das ist alles. Aber irgendwo wartet eine Antwort auf uns, und dieser Anruf könnte der Schlüssel dazu sein. Mit anderen Worten: Der Lösungsprozess hat zwei Stufen. Erst müssen wir herausfinden, worüber zum Teufel der Kerl eben geredet hat, also wo dieses mysteriöse irgendwas versteckt ist. Dann suchen wir es, schnappen es uns und lösen hoffentlich das Rätsel dessen, was man uns all diese Jahre vorenthalten hat!«
»Bei Ihnen klingt das so einfach«, bemerkte Jerry.
»Einfach kann es nicht sein, sonst wäre uns im letzten halben Jahrhundert längst jemand zuvorgekommen.«
»Nicht zwangsläufig«, widersprach Jerry. »Während des größten Teils dieser Zeit wusste niemand, dass es etwas aufzudecken gab oder dass Myshko auf dem Mond gelandet ist.«
»Dann eben, seit wir es wissen und für uns damit des Rätsels Lösung einfacher wird, klar?«
Jerry starrte seinen Arbeitgeber nur wortlos an und dachte: Jetzt weiß ich, warum du der Milliardär bist und ich der Angestellte. Du liebst die Herausforderung; das gibt dir Lebendigkeit, und ich will nur, dass das Problem verschwindet.
»Haben Sie viel Holmes gelesen?«, fragte Bucky.
»Ein bisschen.«
»Und die Stimme haben Sie wirklich nicht erkannt?«
»Nein, sagte ich doch schon«, sagte Jerry stirnrunzelnd. »Warum fragen Sie?«
»Ganz einfach: Sollte dieser Kerl Sie nicht kennen, kann und darf er für die Auflösung des Rätsels nicht davon ausgehen, ob Sie mit dem ganzen Holmes-Kanon vertraut sind und jede einzelne Geschichte auswendig kennen. Es muss also einfacher sein, als wir zunächst vermutet haben.«
»Ich finde daran gar nichts einfach.«
»Welche Figuren kennen Sie aus Sherlock Holmes?«, fragte Bucky. »Abgesehen von Holmes, Watson und der Vermieterin … wie war gleich ihr Name? Ach, ja, Mrs Hudson. Okay, wen kennen Sie noch?«
»Professor Moriarty, natürlich«, sagte Jerry. »Irene Adler.« Nachdenkliche Falten gruben sich in seine Stirn. »Moriarty, Adler …« Jerry schüttelte den Kopf. »Das ist alles.«
Plötzlich grinste Bucky so zufrieden wie eine Katze, die gerade den Kanarienvogel verspeist hatte.
»Meine Fresse!«, rief Jerry. »Sie haben es, nur durch diese paar Dinge! Sie haben es raus!«
»Ich glaube schon.«
»Und?« Jerry konnte kaum die eigene Stimme beherrschen.
»Ich glaube, beinahe jeder kennt Moriarty und Irene Adler. Ein paar kennen vielleicht auch noch Colonel Sebastian Moran, Sie beispielsweise nicht. Und unser Anrufer konnte nicht davon ausgehen, dass Sie ihn kennen. Aber selbst, wenn Sie nie eines der Bücher gelesen hätten, taucht doch die eine oder andere Figur in über einem halben Dutzend Filmen auf.
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