Das Chamäleon-Korps
kringelte sich bequemer auf den grauen, seifig aussehenden Pflastersteinen zurecht. „Eigentlich bin ich ja ein Lockvogel.“
„Ein Lockvogel?“
„Ein Lockvogel des Herrn“, erklärte ein Mann, der hinter Jolson stand. Als er Jolson bis zur Unbeweglichkeit umarmte, fühlte er sich recht groß an. „Wir würden Sie gern in unsere Mission auf eine warme Mahlzeit einladen, Bruder.“
„Danke nein, ich habe gerade gegessen“, grunzte Jolson. „Zerdrücken Sie mir meine Gitarre nicht zu Zahnstochern!“
„Wir widmen uns vor allem den Unterprivilegierten und Ausgestoßenen. Sie sehen so aus, als gehörten Sie zu beiden, und ich will Ihnen was sagen, Mister: Sie werden jetzt sofort eine warme Mahlzeit bekommen, und dann werden Sie sich still hinsetzen und sich eine trostvolle Predigt anhören.“
„Heute gibt es Hackbraten“, sagte die alte Frau und setzte sich auf.
Ein zweiter Mann riß Jolson die Füße unter dem Hintern weg. „Mit zwei Kellen Sojanudeln und geriebenen Möhren. Sie werden es alles aufessen, Mister, und es wird Ihnen auch schmecken.“
Jolson drehte sich halb herum und sah den zweiten Mann an. Auch er war stämmig und trug eine schwarzgoldene Uniform mit einem schwarzgoldenen Husarenkalpak. „Sie sind Gottesmänner?“ fragte Jolson, während sie ihn in ein rußiges zweistöckiges Gebäude schleppten.
„Das können Sie annehmen, Bruder“, sagte der riesige, zottige blonde Mann, der Jolsons Oberkörper im Griff hatte. „Ich bin Brigadier Bruce Choate, und das dort ist Korporal Willis, der für Ihre armen, müden, verlorenen Füße verantwortlich zeichnet.“
Die beiden uniformierten Männer trugen Jolson eine brüchige Steintreppe hoch. Schließlich kamen sie in einen großen, matt beleuchteten Speisesaal. Im Saal standen zwei große lange Tische; an dem, der ihnen am nächsten war, saßen elf heruntergekommen wirkende Männer.
„Hochwürden?“ sagte ein Mann mit dunklen Hautflecken und hellen, grauen Bartstoppeln.
„Brigadier“, berichtigte ihn Choate. Er schubste Jolson auf eine Bank an der rechte Seite des Tischs. „Ja, Mister?“
„Könnten wir jetzt vielleicht unseren Hackbraten haben? Ich meine, es ist schon zwei Uhr nachmittags, und wenn ich auch nur ein armer Kerl bin, der sich so gut wie möglich durchs Leben zu schlagen versucht und am Rand der Gesellschaft vor sich hin vegetiert, bin ich es doch gewöhnt, mein Mittagessen am Mittag oder wenigstens um den Mittag des verdammten Tages herum zu essen.“
„Vielleicht“, warf ein Landstreicher mit rötlichem Bart ein, „könnten Sie jetzt wenigstens den Salat servieren und den Brotkorb auf den Tisch stellen.“
„Was habe ich Ihnen vorhin gesagt, Mister? Sie werden hier am Tisch sitzen bleiben, bis uns der Herr eine vollzählige Gruppe Armseliger schickt, denen wir helfen können.“
„Ich wette, der Hackbraten ist inzwischen kalt geworden“, sagte der bärtige Mann.
„Könnten wir nicht wenigstens die Predigt hinter uns bringen?“ fragte der Mann mit den dunklen Flecken. „Sie haben mich heute morgen gegen zehn Uhr bei Ihrem Göttlichen Überfall gekascht. Seitdem sitze ich mir hier den Arsch ab. Ich habe Ihre ganzen Traktate schon zweimal durchgelesen, was allerdings auch keinen besonderen Zeitaufwand erfordert, denn zum größten Teil bestehen sie ja aus sehr wenig Text und einem Haufen Gefechtskarten und Bildern von Uniformen Ihres Erlösungskommandos.“
Der Mann mit dem roten Bart langte über den Tisch. „Die mit den Karten kenne ich noch gar nicht.“
„Hier ist eine mit Winter- und Paradeuniform“, sagte der Mann mit den Flecken und reichte ihm ein blaues Pamphlet. „Ach ja, und diese hier ist über göttliche Tarnung. Nur daß die Farbtafeln alle falsch sind. Die Perspektive ist auch nicht eben berauschend.“
Korporal Willis sagte zu Jolson: „Ich wette, daß Sie wochenlang keine schöne, warme Mahlzeit mehr gehabt haben.“
„Die letzte hatte ich heute morgen“, sagte Jolson, schnallte seine Gitarre ab und strich mit einem Daumen über die Saiten. „Sie ist nicht mehr gestimmt.“
„Das ist einer der Nebeneffekte, wenn man in einen Hinterhalt gerät“, sagte der große Korporal.
Jolson begann damit, seine Gitarre wieder zu stimmen. „Warum seid ihr eigentlich so aggressiv?“
„Müssen wir“, erwiderte Korporal Willis. „Nicht deswegen, weil wir am Rande eines heruntergekommenen und degenerierten Jugendlichenslums unsere barmherzige Arbeit tun, sondern weil wir zum Teil
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