Das Chamäleon-Korps
die Maschine ist.“ Leftover reckte einen Daumen hoch. „Vatermord.“ Dann seinen Zeigefinger. „Ficken.“
„Ich mache Lieder“, sagte Jolson, „aber ich muß gestehen, daß ich mich mit diesen beiden Themen noch nicht so auseinandergesetzt habe.“
„Ehrlich gesagt interessiert mich dein Kram nicht“, sagte Leftover.
„Meine Vatermordgedichte wurden in einem Sammelband veröffentlicht, der Killpaps hieß. Ein kleines Bändchen, das sich bereits in der gebundenen Ausgabe millionenfach verkauft hat. Ich hätte beinahe den Murdstone Literaturpreis bekommen, aber manche von diesen Echsen haben immer noch sentimentale Ansichten über die Grundzelle Familie und so. Meine Gedichte über meine sexuellen Abenteuer wurden in einem Band zusammengefaßt der den Titel Gebimst, geblasen & durchgewalkt sowie andere Leiden trägt. Auf Barafunda ist er noch im Druck.“
„Kaum zu glauben, daß die jungen Leute drüben in der Kanalzone dich nicht mehr respektieren und bewundern.“
„Die sind viel zu sehr damit beschäftigt, rumzuhengsten“, sagte Leftover. „Die Jugend respektiert die Erfahrenheit nicht. Schließlich bin ich jetzt achtunddreißig Jahre alt. Ich muß schon mächtig rumscharren, um was aufzureißen. Deshalb erwischen mich diese Kommandos auch immer. Jedesmal, wenn ich sehe, wie irgendeine Frau auf der Straße umkippt, flitze ich hin, und schon haben sie mich.“
„Ich möchte doch wetten, daß ein Mann mit deinem Hintergrund und deinem Händchen für Sprache doch immer noch ziemlich viele Freunde in der Zone haben muß.“
„Ja, ich kenne die meisten von denen.“
Jolson versuchte einen Akkord auf seiner Gitarre. „Ich suche ein bestimmtes Mädchen, das in der Kanalzone lebt.“
„Ein alter Knacker wie du? Tunky, du mußt doch schon weit über vierzig sein. Du bist doch so alt, daß du drüben in der Zone nicht mal mehr ein Hühnchen kaufen kannst.“
„Ich habe völlig andere Motive. So ’ne Art Familienangelegenheit. Ich hab’ ein paar von ihren Verwandten versprochen nachzugucken, ob es ihr gut geht.“
„Wenn sie jung ist, dann geht’s ihr auch gut. Da drüben leiden nur die Alten.“
„Dieses Mädchen“, sagte Jolson, „heißt Marina Bronzini. Schon mal irgendwo getroffen?“
„Marina? Klar.“ Leftover stach mit dem Finger in die Gitarre. „An die kommt keiner ran. Sie ist eine von diesen Ideologischen.“
„Wo verbringt sie denn ihre Zeit?“
„Sie wohnt an verschiedenen Orten. Meistens verbringt sie die Nacht bei Mutter Blaudrossel. Allerdings …“
„Allerdings was?“
„Sie ist seit etwas über einer Woche nicht mehr in der Zone gesehen worden.“ Leftover stützte seine Ellenbogen auf den Tisch. „Sie hat nie viel für mich getan, so spitz ich auch sein mochte. Ideologisiert und flachbrüstig. Hab’ den Typ nie gemocht.“
„Vielleicht besuche ich mal Mutter Blaudrossel“, sagte Jolson.
Der fleckige Mann rief: „Wir haben Glück! Hoch würden hat einen Touristenbus gekapert!“
Choate und der Korporal schoben gerade ein Dutzend gefesselter Touristen in den Speisesaal.
„Wenn sie uns hier rausgelassen haben, dann zeig’ ich dir gern die Zone“, bot Leftover an.
„Das wäre wirklich nett“, sagte Jolson.
17
Mutter Blaudrossel legte noch ein weiteres Kissen mit Polkatupfern unter Jolson und fragte: „Na, gemütlich genug?“
Jolson musterte die kleine, blonde Mutter Blaudrossel, die in ihren mittleren Jahren war. „Ja, doch. Recht herzlichen Dank.“
Dieser Raum des Klubs war groß und überkuppelt und erinnerte ein wenig an einen Gewölbekeller. Er war vor kurzem getüncht worden, und an allen möglichen und unmöglichen Stellen hing geraffter Chintz herum. An den rauchigen Fenstern hingen geblümte Chintzvorhänge, während alle Türen und Ausgänge mit obstgemustertem Chintz verhängt waren. Auf den hundert schmalen, runden Tischen lag Rüschenchintz, und um die Wandlampen und die eisernen Hut- und Schirmständer rankten sich glitzernde Chintzbahnen.
Leftover fragte: „Erinnert dich das an dein Zuhause?“
„Nö“, erwiderte Jolson.
„Da sieht man’s wieder. Ich weiß nicht mehr, wo’s langgeht“, sagte die ehemalige Berühmtheit. „Ich weiß schon nicht mehr, was wen an was erinnert.“
„Kopf hoch, Lefty“, sagte Mutter Blaudrossel. „Ich werde euch beiden netten Jungs ein bißchen was Kleines bringen.“
Leftover schnüffelte. „Hm. Ich rieche heißen Apfelstrudel.“
„Tatsächlich?“ fragte Mutter
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