Das Chaos-Casino
angesichts solcher »korrigierter Chancen« in der Regel vollauf genug.
Zu diesem Betrugsplan gehörte des weiteren auch ein nachlässiger Croupier, weshalb Lucas im Laufe der vergangenen Woche auch die meiste Zeit damit verbracht hatte, nach einem solchen Ausschau zu halten. Das war auch der Grund, weshalb er diesen Zeitpunkt ausgewählt hatte, um mit seiner Mannschaft endlich zur Tat zu schreiten.
Die Gästeschar der Eröffnungsfestivitäten war inzwischen soweit ausgedünnt, daß es an verschiedenen Tischen mehrere freie Sitzplätze gab. Wichtiger noch: Die Mannschaften an den Tischen waren inzwischen von dem Ansturm erschöpft und blickten bereits unverhohlen auf ihre Uhren, als könnten sie die Zeit mit reiner Willenskraft schneller verstreichen lassen.
Lucas hatte schon fast eine Stunde am Zieltisch gesessen und sorgfältig das Bild von einem allmählichen Verlierer aufgebaut, der gelegentlich mit hohen Einsätzen scheinbar versuchte, seine Verluste wieder auszugleichen. Der Croupier benahm sich so, wie er es die letzten Nächte auch getan hatte: Er teilte seine Aufmerksamkeit zwischen dem Dienst am Tisch und einer wohlgeformten Cocktailkellnerin auf, die ihm gegen Ende ihrer gemeinsamen Schicht im Vorbeigehen immer häufiger zuzwinkerte. Lucas wußte nicht, ob die beiden nur flirteten oder Liebhaber waren; es war ihm auch gleichgültig. Wichtig war, daß der Croupier nicht seine volle Aufmerksamkeit auf das Geschehen an seinem Tisch richtete.
Nacheinander kam seine Mannschaft zusammen und nahm mit gespielter Beiläufigkeit ihre Positionen ein, bis schließlich nur noch ein Mitglied fehlte, bevor sie loslegen konnten. Trotz seiner Zuversicht und Selbstbeherrschung spürte Lucas, wie die Erregung in ihm wuchs. Noch fünfzehn Minuten, und sie hätten entweder ihren Treffer gelandet oder sich wieder verteilt, um sich ein anderes Ziel auszusuchen.
»Ihre Würfel, Sir.«
Lucas nahm die Würfel auf und begann sie langsam in Vorbereitung auf den Wurf zu schütteln. Das war natürlich noch nicht die große Nummer. Wenn es soweit war, würde er setzen und nicht werfen. Er wollte lediglich Zeit schinden und seinen Reihenplatz unter den Werfern einnehmen, bis seine Mannschaft vollzählig versammelt war.
Im Augenwinkel sah er, wie das letzte Mannschaftsmitglied auf ihren Tisch zukam, gelegentlich an anderen Tischen stehenblieb, um das Geschehen zu beobachten und seine Indifferenz zu zeigen. Gleich würde es losgehen.
»Komm schon, Sieben«, sagte Lucas fast automatisch, als er die Hand zum Wurf hob und ...
»Einen Augenblick, Sir!«
Ein bösartiger Griff umschlang plötzlich sein Handgelenk. Erschrocken sah Lucas sich um und stellte fest, daß er von einem schwarzuniformierten Sicherheitsmann festgehalten wurde, der von zwei weiteren begleitet wurde.
»Was ...«
»Zeigen Sie uns einmal diese Würfel ... Alle Einsätze einfrieren!«
Mit echter Verwunderung reichte Lucas dem Wachmann mit dem roten Schnauzbart seine Würfel. Er hatte keine Ahnung, was diese Unterbrechung herbeigeführt haben mochte, da er nichts getan hatte, was Verdacht erregen konnte - gerechtfertigt oder nicht.
Der Wächter würdigte die Würfel nur eines kurzen Blickes.
»Genau wie ich dachte«, erklärte er. »Sieh in seiner Tasche nach, Schubidu ... die linke Jackentasche.«
Bevor Lucas sich zusammenreißen konnte, um zu protestieren, hatte der ölig aussehende Wächter neben ihm schon die Hand in die besagte Tasche gesteckt und wieder hervorgeholt. Darauf lagen ...
»Da sind sie, Herr Feldwebel. Genau wie Sie dachten.«
Lucas gaffte das Paar Würfel an, die der Wächter nun hochhielt. In dieser Tasche waren überhaupt keine Würfel gewesen ... und er hatte auch sonst keine am Leib gehabt!
»Aber ...«
»Haben wohl geglaubt. Sie könnten ein paar kleine Austauschgeschäftchen machen, wie, Sir?« Der Wachmann mit dem Schnauzbart lächelte. »Ich denke, es ist Zeit, daß Sie gehen ... wenn Sie mir bitte folgen wollen. Nichts passiert, Leute! Wir sorgen nur dafür, daß es an den Tischen im Fette Chance ehrlich zugeht. Nehmen Sie Ihre Einsätze zurück, und reichen Sie die Würfel an den nächsten Werfer weiter!«
Lucas bemerkte kaum die schockierten Gesichter der anderen Mannschaftsmitglieder, als sie hinter ihm in der Casinomenge verschwanden. Seine gesamte Aufmerksamkeit blieb auf die kräftigen Hände gerichtet, die seine Arme festpreßten, als man ihn nun sanft aber unbeugsam in Richtung Casinoausgang schob.
»Aber ich bin doch
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