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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Für sie ist Gott allmächtig, also ist ihm nichts unmöglich. Gott habe die Naturgesetze gemacht, also könne er sie auch brechen, überwinden, an ihnen vorbei handeln.
    Für kompliziertere, gebildete Menschen hingegen, die sich bemühten, mit der Entwicklung der Natur- und Geisteswissenschaften Schritt zu halten, wurden die Glaubenssätze der alten Kirche ab der Aufklärung immer fragwürdiger. Die Kirche hat lange dagegengehalten, die Aufklärung bekämpft, das Wörtlichnehmen der Glaubenssätze verteidigt. Vergeblich. Heute findet man kaum noch einen wissenschaftlichen Theologen, der klipp und klar sagt: Jesus hat damals bei der Hochzeit in Kana wirklich Wasser in Wein verwandelt, auf dem See Genezareth durch sein bloßes Wort den Sturm gestillt, Tote wieder zum Leben erweckt, und selbstverständlich ist Jesus von den Toten auferstanden, und damit basta.
    Wissenschaftlich gebildete Theologen wissen viel zu viel, als dass sie es sich erlauben könnten, eine solch einfache Und-damit-basta-Theologie zu vertreten. Was sie zu bieten haben, befindet sich auf dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, führt aber eben deshalb zu einem schier endlosen Ja-aber-Schwanz, der in den meisten Fällen in das unausgesprochene Eingeständnis mündet: Wir wissen es auch nicht.
    Ihrem «Ja, aber …» folgen sehr viele, sehr schwer verständliche Sätze. Sie handeln von Bildern und Symbolen, von Glaubenssprachen und Mysterien, von Legenden und nachösterlichen Gemeindebildungen, von Vergleichen mit anderen antiken Wundertätern, Gottessöhnen und Jungfrauengeburten, und sie münden in Exkurse über das mythische Weltbild des antiken Menschen, in abstrakte Erörterungen des Unterschieds zwischen dem Glauben an die Auferstehung des Fleisches und dem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele.
    Gerne fließen auch komplizierte Erkenntnisse aus der schwer zu verstehenden Quantentheorie mit ein, oft verbunden mit der anschaulichen Erzählung vom Arbeitstier der Chaostheorie, dem Schmetterling, dessen Flügelschlag in der Südsee einen Orkan in der Nordsee auslösen kann. Da wird dann die Heisenberg’sche Unschärferelation mit dem deterministischen Chaos zusammengeschirrt, und es fallen Wörter wie Singularität, Diskontinuität, Phasensprung oder dissipative Struktur.
    Und dieser ganze ungeheure Aufwand wird betrieben, um den langen Ja-aber-Schwanz mit dem Argument abzuschließen, so hermetisch verschlossen, wie die klassische Physik dachte, ist unsere Welt gar nicht. Dass diese doch irgendwo an einer unbekannten Stelle über ein metaphysisches Hintertürchen verfügt, wird uns durch die moderne, quantenphysikalisch und chaostheoretisch verstandene Naturwissenschaft nahegelegt, zumindest lässt die heutige Wissenschaft die religiöse Frage offen. Daher dürfe unser beschränktes, zeitbedingtes naturwissenschaftliches Weltbild nicht verabsolutiert und könne unmöglich zur Richtschnur über die Wahrheit des christlichen Glaubens erhoben werden. Die ganze Wirklichkeit sei stets größer als jener Teilbereich, der wissenschaftlichen Methoden zugänglich ist. Damit haben die Theologen recht, und deshalb ist der lange Ja-aber-Schwanz leider nötig.
    Darüber darf man aber nicht vergessen, was ganz offensichtlich der Fall ist: Auch die meisten Theologen – und viele Bischöfe und Pfarrer in der westlichen Welt – glauben mittlerweile nicht mehr, dass Jesus gezaubert hat. Sie hegen also große Zweifel an der biblischen Darstellung der Geschehnisse nach dem Tod Jesu. Daher verstehen sie den Text des christlichen Glaubensbekenntnisses heute ganz anders, als er jahrhundertelang in der Kirche verstanden wurde. Die Wörter dieses Textes haben ihre frühere Eindeutigkeit verloren, werden inzwischen in einem übertragenen Sinn ausgelegt, schillern nur noch symbolisch, und bei jedem Theologen in anderen Farben. Bei manchem kann sich die Bedeutung der Wörter so weit verflüchtigen, dass er sich, wie Gerd Lüdemann  19 , ehrlicherweise gezwungen fühlt zu sagen, Jesus sei in seinem Grab verwest wie jeder andere Tote.
    Vor dieser letzten Konsequenz schrecken die meisten Theologen zurück, denn erstens handelt man sich damit nur Ärger mit seiner Kirche und den anderen Kollegen ein, zweitens verstört man die einfachen Gläubigen, drittens befindet man sich nahe bei jenen Religionskritikern, die schon immer behauptet haben, das Ganze sei nichts weiter als ein Priesterschwindel, und viertens hat man als Theologe tatsächlich ein Problem, die Sache

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