Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
Quellen (1. Clemensbrief), für die es aber keine Bestätigung gibt, wurde Paulus irgendwann zwischen 60 und 64 nach Christus unter Nero als Märtyrer durch das Schwert hingerichtet.
Es war einer der vielen erfolglosen Versuche der Staatsmacht, eine ihr nicht genehme Botschaft dadurch aus der Welt zu schaffen, dass man den Botschafter umbringt. Hatte ja in allen anderen Fällen immer funktioniert. Diesmal aber produzierte die Methode das Gegenteil. Jeder tote Botschafter erweckte zehn neue zum Leben. Jeder Märtyrer verschaffte der christlichen Gemeinde hundert neue Mitglieder. Rom düngte den christlichen Glauben mit dem Blut seiner Märtyrer.
DIE URGEMEINDE: VERSPOTTET, VERFOLGT, ERMORDET – UND DENNOCH SIEGREICH
Eigentlich hatten sie keine Chance. Während der ersten drei Jahrhunderte, in denen sich die Christen im ganzen Römischen Reich ausbreiteten, wurden sie vom Volk gehasst, von den Gebildeten verachtet, von den Etablierten verhöhnt und von den Mächtigen nicht ernst genommen, aber dennoch verfolgt und geschäftsmäßig hingerichtet. Außerdem waren sie untereinander zerstritten. Die Konflikte zwischen Juden und Judenchristen einerseits und zwischen Judenchristen und Heidenchristen andererseits konnten nicht ausgeräumt werden, schwelten immer weiter und entfremdeten die verschiedenen Gruppen voneinander.
Trotz der raschen Verbreitung ihrer Lehre waren die Christen eine kleine, unbedeutende Minderheit im Römischen Reich, überdies machtlos, friedlich und harmlos. Das Gros ihrer Anhänger kam aus der Unterschicht – Sklaven, Bauern, Handwerker, kaum Vermögende, kaum Gebildete, viele Frauen. Eben deshalb galt der christliche Glaube den gebildeten Heiden als eine Religion für Dumme, Naive, Verführbare, Narren und Sklaven.
Aber innerhalb weniger Jahrhunderte sind diese Narren zur führenden Schicht im Reich aufgestiegen und haben den Fortgang der Weltgeschichte bestimmt. Wie das geschehen konnte, ist bis heute noch nicht restlos geklärt. Warum hat sich das Christentum durchgesetzt und nicht der Mithraskult, der zu jener Zeit im Römischen Reich viel mächtiger war, einige Kaiser auf seiner Seite hatte und über sehr viele Mitglieder verfügte? Es gibt Hypothesen, von denen die meisten einander additiv verstärken, aber alle zusammen reichen nicht aus, um eine lückenlose Kausalkette von Jesus zur siegreichen Kirche zu bilden. Es bleibt ein unerklärlicher Rest.
«Textilarbeiter, Schuster und Walker, ungebildete und ungesittete Leute, die vor den älteren und verständigen Hausherren kein Wort zu reden wagen, wenn sie aber Kinder und Weiber vor sich bekommen können, so reden sie die wunderlichsten Dinge und stellen ihnen vor, sie sollen sich nicht an den Vater und den Lehrer halten, sondern nur ihnen folgen», schimpfte der Philosoph Celsus über die Christen des zweiten Jahrhunderts. Und Tacitus, sonst bekannt als ein sich um Objektivität bemühender Historiker, verliert angesichts der Christen jede Beherrschung und bezeichnet die wegen «ihrer Abscheulichkeit verachteten Anhänger der neuen Religion» als vom «Hass auf das Menschengeschlecht» beseelt und «der schlimmsten Strafen würdig». 21
Die gebildeten Heiden vermögen in der neuen Religion nur Aberglaube und Dummheit zu erkennen, und doch scheinen sie sich ihres Urteils nicht ganz sicher zu sein, denn wenn es sich nur um die Angelegenheit einiger Irrer handelte, warum provozierte diese Bagatelle solche Gefühlsausbrüche? Spürten sie, dass von diesen ungebildeten Naivlingen eine seltsame Kraft ausging? Dass sie Sklaven in die Augen blickten, die über eine Haltung verfügten? Dass die Sklaven zwar ihren Herren gehorchten und sich nichts zuschulden kommen ließen, aber erkennbar zu verstehen gaben, dass sie sich nicht mehr als Sklaven fühlten? War es das, was sie so ärgerte?
Die römische Oberschicht hat gelegentlich auch zugegeben, dass die «gottlosen Galiläer» sich auf eine Weise um die Armen kümmerten, an der man sich ein Beispiel nehmen sollte. So empfand es Kaiser Julian in einem Brief an den Oberpriester von Galatien als Schmach, dass die Christen «neben den ihren auch noch die unsrigen ernähren, die unsrigen aber der Hilfe von unserer Seite entbehren müssen». Und nicht nur das. In der «Menschenfreundlichkeit gegen die Fremden, die Vorsorge für die Bestattung der Toten und die vorgebliche Reinheit des Lebenswandels» sah der Kaiser einen Grund für den Erfolg der Christen im Reich und forderte seinen Priester
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