Das Comeback
was sie sagten. Ich saß zwei Tage dort herum. Sie fesselten mich erst am letzten Abend. Als hätten sie gewußt, daß du kommen würdest.«
Sie ließ einen Moment schweigend vergehen. Sie gab ihm Gelegenheit zu sprechen, aber er sagte nichts.
»Ich glaube, daß es keine richtige Entführung war.«
Sie schaute wieder nach unten auf ihre Hände.
»Und das war der Grund, warum du nicht wolltest, daß wir die Polizei verständigen«, sagte Bosch ruhig.
Sie nickte.
»Ich weiß nicht, warum ich dir nicht alles eher erzählt habe. Es tut mir wirklich leid, Harry. Ich …«
Jetzt blieben Bosch die Worte im Halse stecken. Ihre Geschichte war verständlich und glaubhaft. Er hatte sogar Mitleid mit ihr und verstand, daß sie sich ebenfalls in einer ausweglosen Lage befunden hatte, daß sie geglaubt hatte, keine andere Wahl zu haben. Was er nicht verstand und was ihn verletzte, war, daß sie es ihm nicht von Anfang an erzählt hatte.
»Warum konntest du es mir nicht erzählen, Eleanor?« brachte er heraus. »Ich meine, gleich. Warum hast du es mir nicht an dem Abend gesagt?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich wollte – ich hoffte wohl, es würde irgendwie verschwinden, und du würdest es nie erfahren.«
»Warum erzählst du es mir dann jetzt?«
Sie schaute ihn direkt an.
»Weil ich nicht darüber hinwegkam, dir nicht alles erzählt zu haben … und weil ich etwas mit anhörte, als ich in dem Haus war, was du wissen solltest.«
Bosch schloß die Augen.
»Es tut mir leid, Harry. Wirklich leid.«
Er nickte. Es tat ihm auch leid. Er fuhr sich mit seinen Händen übers Gesicht. Er wollte es nicht hören, aber er wußte, er mußte es. Seine Gedanken überschlugen sich, schwankten zwischen dem Gefühl, betrogen worden zu sein, Verwirrung und Mitleid hin und her. Einen Moment lang dachte er an Eleanor und im nächsten an den Fall. Sie hatten es gewußt. Jemand hatte Joey Marks von Eleanor und ihm erzählt. Er dachte an Felton und Iverson, Baxter und den anderen Cop. Jemand hatte Marks informiert, und sie hatten Eleanor als Köder benutzt. Aber warum? Weshalb das ganze Theater? Er öffnete die Augen und schaute Eleanor mit leerem Blick an.
»Was hast du gehört, was ich wissen sollte?«
»Es war am ersten Abend. Sie steckten mich in das hintere Zimmer, wo der Fernseher war, wo du mich herausgeholt hast. Ich mußte dort bleiben und die Samoaner waren auch ab und zu dort. Aber manchmal waren Leute in anderen Räumen des Hauses. Ich hörte sie reden.«
»Smokie und Quillen?«
»Nein, Quillen ging. Ich kenne seine Stimme, und er war’s nicht. Und ich glaube nicht, daß es Smokie war. Ich glaube, es war Joey Marks und noch jemand. Wahrscheinlich sein Anwalt, Torrino. Auf alle Fälle hörte ich, wie der zweite Mann den ersten Joe nannte. Deshalb glaube ich, daß es Marks war.«
»Okay. Erzähl weiter, was haben sie gesagt?«
»Ich konnte nicht alles hören. Aber der eine Mann erzählte dem anderen, den er Joe nannte, was er über die polizeilichen Ermittlungen erfahren hatte. Ich glaube, es beschränkte sich auf die Polizei von Las Vegas. Und ich hörte, wie ›Joe‹ wütend wurde, als er erfuhr, daß die Waffe in Goshens Haus gefunden worden war. Ich erinnere mich genau an seine Worte. Er schrie: ›Wie können sie die gottverdammte Waffe in seinem Haus finden, wenn wir nichts mit dem Mord zu tun haben?‹ Und dann sagte er noch, daß die Cops die Waffe versteckt hätten, und, ›Sag dem Typen, wenn er uns damit irgendwie erpressen will, soll er sich bloß verpissen und das Ganze vergessen.‹ Danach hörte ich nicht mehr viel. Sie sprachen leiser, und der erste Mann versuchte, den zweiten zu beruhigen.«
Bosch starrte sie einen Augenblick lang an und versuchte zu analysieren, was sie gehört hatte.
»Glaubst du, sie haben Theater gespielt?« fragte er. »Ich meine, vielleicht war alles für deine Ohren bestimmt, weil sie sich denken konnten, daß du es mir weitererzählen würdest.«
»Das dachte ich zuerst auch, und das war auch ein Grund, warum ich es dir nicht gleich erzählt habe«, sagte sie. »Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Als sie mich zum Haus mitnahmen, als Quillen mich dorthin fuhr und ich eine Menge Fragen stellte, antwortete er nicht. Aber er sagte, alles, was sie brauchten, seien ein oder zwei Tage, um jemanden zu testen. Er erklärte es nicht weiter. Ein Test, das ist alles, was er sagte.«
»Ein Test?«
Bosch schaute verwirrt drein.
»Hör zu, Harry. Die ganze Zeit, seitdem du
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