Das Comeback
hat.«
»Klar. Das haben wir alle beim O.J.-Fall gesehen.«
Bosch packte O’Gradys Krawatte und riß seinen Oberkörper auf den Schalter hinunter. Der Agent fand keinen Halt für seine Hände, um sich wieder hochzudrücken. Bosch beugte sich hinunter, so daß er direkt in sein Ohr sprach.
»Was hast du gesagt?«
»Bosch, du …«
»Harry.«
Bosch schaute auf. Billets stand in der Tür ihres Büros. Bosch ließ die Krawatte los, und O’Grady fiel beinahe nach hinten hinüber, als er sich aufrichtete. Sein Gesicht war knallrot vor Scham und Wut. Er lockerte seine Krawatte und schrie: »Du gehörst in die Klapsmühle, weißt du das? Du Riesenarschloch.«
»Ich wußte nicht, daß ihr beim FBI solch dreckige Ausdrücke in den Mund nehmt«, sagte Bosch.
»Harry, setz dich«, kommandierte Billets. »Ich kümmere mich darum.«
Sie war jetzt am Schalter.
»Er muß die Empfangsbescheinigung unterschreiben.«
»Das ist mir egal. Ich kümmere mich darum.«
Bosch ging an seinen Schreibtisch und setzte sich. Er starrte O’Grady ohne mit einer Wimper zu zucken an, während Billets im Karton kramte, bis sie die Inventarliste gefunden hatte, die Edgar vorbereitet hatte. Sie zeigte O’Grady, wo er unterschreiben mußte, und sagte, daß er jetzt gehen solle.
»Sie passen besser auf ihn auf«, sagte er zu Billets, als er den Karton vom Schalter nahm.
»Sie passen besser auf sich selbst auf, Agent O’Grady. Falls ich irgend etwas über die kleine Meinungsverschiedenheit hier höre, werde ich gegen Sie eine Dienstbeschwerde wegen Provokation einreichen.«
»Er hat ange …«
»Das ist mir egal. Verstehen Sie? Es ist mir egal. Gehen Sie jetzt.«
»Ich gehe. Aber Sie passen besser auf ihn hier auf. Und lassen Sie ihn nicht hier dran.«
O’Grady deutete auf den Inhalt des Kartons. Billets antwortete nicht. O’Grady machte einen Schritt vom Schalter weg, blieb dann aber stehen und schaute noch einmal Bosch an.
»Übrigens, Bosch, ich soll dir etwas von Roy ausrichten.«
»Agent O’Grady, würden Sie bitte gehen!« sagte Billets zornig.
»Was?«
»Er wollte nur fragen, wer jetzt das Stück Fleisch ist?«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging den Korridor zum Ausgang hinunter. Billets beobachtete ihn, bis er verschwunden war, wandte sich dann Bosch zu und schaute ihn mit blitzenden Augen an.
»Du kannst es einfach nicht lassen?« sagte sie. »Warum wirst du nicht endlich erwachsen und hörst auf, Leute ständig anzupissen?«
Sie wartete nicht auf seine Antwort, weil er keine hatte. Sie eilte in ihr Büro zurück und schloß die Tür. Dann zog sie die Jalousien vor der gläsernen Trennwand zu. Bosch verschränkte die Hände in seinem Nacken, lehnte sich zurück und schaute zur Decke hoch. Dann atmete er laut aus.
Sofort nach dem Zwischenfall mit O’Grady hatte Bosch alle Hände voll zu tun mit einem Jungen, der einen bewaffneten Überfall meldete. Alle Detectives vom Raubüberfall-Tisch waren im Moment wegen eines Auto-Hijackings, das in einer Verfolgungsjagd geendet hatte, draußen unterwegs. Das bedeutete, daß Bosch als Schalterbeamter das Opfer vernehmen und den Bericht schreiben mußte. Das Opfer war ein mexikanischer Junge, der an der Ecke Hollywood Boulevard und Sierra Bonita Avenue Stadtpläne von den Häusern der Filmstars verkaufte. Um zehn Uhr morgens, kurz nachdem er sein Sperrholzschild aufgestellt und begonnen hatte, den vorbeifahrenden Autos zuzuwinken, stoppte ein alter, amerikanischer PKW mit einem Mann am Steuer und einer Frau auf dem Beifahrersitz. Die Frau richtete eine Pistole auf den Jungen und nahm ihm achtunddreißig Dollar ab. Der Junge war mit seiner Mutter gekommen, um das Verbrechen zu melden. Am Tag vorher hatte er eine einzige Karte verkauft und fast das ganze Geld, was geraubt worden war, war sein eigenes gewesen, das er am Morgen als Wechselgeld mitgebracht hatte. Durchschnittlich brachte er nach einem ganzen Tag Herumstehen und Winken soviel nach Hause, wie ihm heute geraubt worden war.
Weil die Beute so gering und das Vorgehen der Räuber so schlampig gewesen war, nahm Bosch sofort an, daß es Junkies gewesen sein mußten, die schnell Knete brauchten, um sich den nächsten Schuß zu setzen. Sie hatten sich noch nicht mal die Mühe gemacht, das Kennzeichen des Autos zu verbergen. Der Junge hatte es sich gemerkt, als sie wegfuhren.
Nachdem er mit dem Jungen und seiner Mutter fertig war, ging er zum Fernschreiber und schickte eine Suchmeldung des Autos sowie eine
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