Das Cottage im Wald
Schon wenige Tage später hatte er sich so weit erholt, dass er wieder im Büro arbeiten konnte.
Sean war oft mit John zusammen, und als dieser ihn schließlich zum Abendessen einlud, war Carin sofort klar, was ihr Bruder damit bezweckte. Sie versuchte sich herauszureden, doch John ließ keine Ausrede gelten. “Das ist das Mindeste, was wir für Sean tun können”, erklärte er. “Er hat sich als wahrer Freund erwiesen.”
Dass Liz ebenfalls eingeladen war, machte die Sache für Carin wenigstens etwas erträglicher. Trotzdem fand sie es nicht richtig, dass ihr Bruder sie mit Sean verkuppeln wollte. Während der letzten Tage war es leicht gewesen, Sean aus dem Weg zu gehen, aber heute Abend würde das nicht möglich sein.
5. KAPITEL
C arin stand in der Küche und bereitete das Abendessen vor. Es gab Hähnchen mit Kartoffelsalat und zum Nachtisch Schokoladenpudding, den John besonders gern mochte. Carin hatte ein schlichtes mintgrünes Baumwollkleid angezogen, dazu gletscherblaue Ohrhänger, und ihr Make-up war dezent.
Obwohl sie ein Treffen mit Sean eigentlich hatte vermeiden wollen, musste sie sich eingestehen, dass sie sich nun doch auf ihn freute. Als es auf acht Uhr zuging, wurde sie immer nervöser.
Liz war bereits da. In ihrer zitronengelben Seidenbluse und dem engen grauen Rock sah sie großartig aus. Es war das erste Mal, dass John sie nicht in ihrer Schwesternuniform sah. Die beiden waren so verliebt, dass sie nur noch Augen füreinander hatten.
Sean und mich werden sie gar nicht wahrnehmen, dachte Carin. Eigentlich wäre es nicht nötig gewesen, ihn einzuladen. Ich hätte das Abendessen kochen und mich dann zurückziehen können. Nun muss ich die gutgelaunte Gastgeberin spielen und so tun, als amüsierte ich mich.
In diesem Augenblick klingelte es, und Carin öffnete mit klopfendem Herzen die Tür. Sean trug eine leichte blaue Hose, ein ebenfalls blaues Leinenhemd und dazu graue Lederschuhe. Er sah so unverschämt gut aus, dass es Carin die Sprache verschlug.
“Komm doch herein”, brachte sie endlich hervor und war erstaunt, wie heiser ihre Stimme klang.
Sean lächelte ihr jungenhaft zu. “Also, ich weiß nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, dass du dich auf diesen Abend gar nicht freust.”
“So ein Unsinn”, erwiderte sie gereizt. Sie ärgerte sich, dass er sie wieder einmal durchschaut hatte.
“Vergiss nicht, mein Schatz, dass ich dich besser kenne als du dich selbst. Du bist so aufgeregt wie ein Schulmädchen vor seinem ersten Ball.”
Sean hatte recht. Ein Blick in seine Augen brachte sie schon völlig aus der Fassung. Sean legte die Hand an ihre Wange und strich sanft mit dem Daumen darüber. Die zarte Berührung ließ sie erschauern.
Er spielt schon wieder das alte Spiel, ging es ihr durch den Kopf. Er will nur meinen Körper, sonst nichts. Sie löste sich mit Gewalt aus Seans Bann. “Bitte, Sean, ich muss mich ums Essen kümmern. John und Liz sitzen im Wohnzimmer. Geh doch schon mal vor, ich bin in ein paar Minuten fertig.”
In der Küche holte Carin erst mal tief Luft. Es war zum Verzweifeln. Sie konnte Seans erotischer Ausstrahlung einfach nicht widerstehen. Sobald er sie berührte, war es um sie geschehen, und all ihre Vorsätze, ihn abzuweisen, waren dahin. Sie liebte und begehrte Sean, ja, sie brauchte ihn sogar. Und diese Gefühle konnte man nicht einfach verdrängen.
Als Carin schließlich ins Wohnzimmer trat, begegnete sie sofort Seans Blick. Er lächelte amüsiert, und Carin schien, als wüsste er genau, was sie dachte. Sie zwang sich zur Ruhe und hielt seinem Blick einige Sekunden lang stand, bevor sie zu John und Liz hinübersah.
Liz saß neben ihm auf der Stuhllehne und hielt liebevoll seine Hand. Die beiden himmelten sich regelrecht an. Carin beneidete ihren Bruder wehmütig um das Glück, seine Gefühle für Liz so offen zeigen zu können.
“Hoffentlich weiß John, was er tut”, raunte Sean ihr zu.
“Du hältst es natürlich für unmöglich, dass die beiden glücklich miteinander werden können”, erwiderte Carin scharf. “Ich finde, sie passen sehr gut zusammen.”
“Wie ein Mensch wirklich ist, weiß man erst, wenn man mit ihm zusammenlebt.”
“Du hast eben Pech gehabt. Nicht alle Frauen sind so wie Josie.”
“Nein? Meiner Meinung nach sind sie es.”
“He, ihr zwei”, schaltete John sich ein, “wann gibt’s denn was zu essen? Liz und ich sind schon am Verhungern.”
“Alles ist fertig und wartet nur noch auf euch.” Carin lächelte
Weitere Kostenlose Bücher