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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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wenig, so dass ich kurz mit Hopsen aufhören und mein Handy aus der Jackentasche ziehen konnte.
    Ziehen wollte. Denn leider war es nicht da, wo es hätte sein sollen. Das war natürlich eine ganz besondere Glanzleistung von mir. Ohne Auto und Handy hatte ich mich selbst in die Steinzeit gebeamt. Genauer gesagt, wenn man die klimatischen Umstände berücksichtigte, in die Eiszeit. Was tun? Ich hatte nicht vor, den Rest meines Lebens auf der Stelle zu hüpfen. Doch was war das? Die Britzer Erde erzitterte. Ein Erdbeben? In diesen Breitengraden? Glück im Unglück, dass unser Haus noch nicht einsturzgefährdet war. In diesem Moment materialisierte sich vor mir der langhalsige Schatten eines Dinosauriers. Erbebte die Erde unter den Schritten einer zähnefletschenden Saurierherde? War aus dem betulichen Britzer Garten ein Jurassic Park geworden? Statistisch betrachtet, wäre das großes Pech für mich gewesen. Es war sicher Millionen Jahre her, dass sich in Neukölln Riesenechsen getummelt hatten. Oder hatte ich mich weder in die Stein- noch in die Eis-, sondern in die Kreidezeit gebeamt? Alles sehr mysteriös, aber statt unnützen Überlegungen nachzuhängen, versuchte ich lieber, schnell davonzuhoppeln und mich in Sicherheit zu bringen.
    »Herr Topas! Wo hüpfen Se denn hin?«
    Eine akustische Fata Morgana? Oder doch nur die plärrende Stimme meines Bauleiters?
    »Herr Topas! Bleiben Se doch bitte stehen.«
    Todesmutig beschloss ich, mich dem Feind zu stellen. Ich holte dreimal tief Luft und drehte mich um. Hinter mir galoppierte kein ausgehungerter Saurier, sondern knatterte nur der lang ersehnte Bagger. In dessen Führerstand saß ein muskelbepackter Slawe, der mit seinem beeindruckend guten Aussehen jede Castingshow aufgemischt hätte. Wenigermalerisch sah der halb auf seinem Schoß kauernde Citylagenkenner aus. Was bezweckten die beiden denn mit dieser Inszenierung?
    »Herr Kosewitz! Sie sind beinah eine halbe Stunde zu spät. Ich hätte mir in der Kälte fast den Tod geholt.«
    »Tut mir leid, Herr Topas. Ick hab versucht, Sie anzurufen, aber Sie sind ja nicht ranjejang.«
    Falls er glaubte, ich würde die Stichhaltigkeit seiner kindischen Ausrede nicht überprüfen, hatte er sich geschnitten. Diese Gelegenheit würde sich schon noch ergeben. Vorerst gab es Dringenderes zu klären.
    »Warum zum Henker sitzen Sie auf dem Bagger? Und auf dem Schoß von … von ...«
    »Wladimir«, stellte sich das Baggermodel mit furchteinflößendem Akzent vor, allem Anschein nach ein Nachfahre der alten transsilvanischen Dracula-Sippe.
    »Hab ick Ihnen doch schon uff de Mobilbox jesprochen. Mein Auto sprang wejen der Kälte nich an, und da musst ick Wladimir bitten, mir mitm Bagga abzuholen. Tut mir ja leid, aba dit war n Notfall.«
    Was sollte man dazu sagen? Als Bauherr und vor allem Zahlmeister konnte ich mir kleinere Verfehlungen wie das vergessene Handy leisten. Dass aber subalterne Auftragnehmer sich auf ähnliche Ausfallerscheinungen beriefen, ging für meinen Geschmack dann doch zu weit. Ein Zweitauto war für solche Gelegenheiten sicher nicht zu viel verlangt. Aber da wir den Vorgaben ohnehin schon hinterherhinkten und nicht enden wollende Ausflüchte zu befürchten waren, ließ ich die Sache zähneknirschend auf sich beruhen. Jetzt war einzig und allein wichtig, so schnell wie möglich die Grube auszuheben. Ich fragte das mühsam vom Bagger herabkletternde Organisationsgenie, ob sein Zeitplan denn überhaupt noch einzuhalten wäre.
    »Herr Topas! Wollen Se mir beleidijen? Als Mann vom Fach hab ick dit allet voll im Griff.«
    »Na gut. Ihr Wort zählt. Ich muss jetzt ein paar dringende berufliche Termine wahrnehmen und schaue so gegen halb drei wieder vorbei.«
    In Wirklichkeit musste ich unbedingt heiß duschen, um meinen steifgefrorenen Gliedern wieder Leben einzuhauchen, und eilte, so schnell es die BVG erlaubte, nach Hause. Kaum hatte ich die Wohnungstür aufgeschlossen – ein Wunder, dass ich nicht auch noch den Hausschlüssel vergessen hatte –, kam mir Levin entgegengerannt.
    »Baba, Baba, dein Handy hat dauernd auf dem Tisch herumgewackelt.«
    Sieh an, hatte Kosewitz etwa wirklich angerufen?
    Ich nahm meinen Sonnenschein in die Arme, wirbelte ihn ein paarmal durch die Luft, was er mit freudigem Jauchzen quittierte, und fragte: »Wo liegt denn Babus Handy?«
    »Hab ich ins Klo geworfen. Das Wackeln hat mir Angst gemacht.«
    Gottlob hatte mein Kleiner nicht auch noch die Spülung gezogen. Nachdem ich das Handy

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