Das Dalai-Lama-Prinzip fuer Kollegen
könnte? Das kann man tatsächlich: Geduld und Abgeklärtheit lassen sich einüben, wenn wir lernen, innerlich Abstand zu finden.
Bei Ärger verengt sich unser Blickfeld schnell, denn weil wir uns von der Situation vollkommen vereinnahmen lassen, erscheint uns das Problem riesig. Indem Sie innerlich einen Schritt zurücktreten und Distanz zum Problem gewinnen, nehmen Sie ihm seine Allmacht und Gewichtigkeit. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie würden sich selbst als Zuschauer auf einer Theaterbühne beobachten. Würden Sie Ihren Streit mit dem Chef dann immer noch so ernst nehmen? Oder den Konflikt mit Ihrem Kollegen, in dem Sie gerade stecken? Wenn Sie im nächsten Jahr davon erzählen würden, könnten Sie sich überhaupt noch daran erinnern?
Oder rücken Sie die Verhältnisse in ein neues Licht: Denken Sie an Menschen in Krisengebieten, die von Erdbeben, Sturmfluten oder Epidemien betroffen sind. Denken Sie an Krieg, Bürgerkriege und Hungersnöte. Denken Sie auch an mögliche Katastrophen in Ihrem Leben: Sie könnten einen geliebten Menschen verlieren, obdachlos werden oder die Diagnose einer unheilbaren Krankheit bekommen. Vergleichen Sie das jetzt mit Ihrem aktuellen Problem: Ihr Kollege erhält mehr Anerkennung als Sie, obwohl Sie mehr Einsatz leisten? Ihre Kollegin hält es nicht für nötig, die Teeküche in Ordnung zu halten? Ihr Chef würdigt Sie keines Blickes? Das mag alles äußerst ärgerlich sein, aber es hat keinen entscheidenden Einfluss auf Ihr Leben. Selbst einen Abstieg auf der Karriereleiter oder eine kurzfristige Arbeitslosigkeit können Sie unter diesem Blickwinkel sehen.
Die Luft und den Ärger rauslassen
Wenn sich in unserem Innern Unruhe und Ärger ausbreiten, beschleunigen sich automatisch Atem und Puls. Wir fangen an, schnell und flach zu atmen. Umgekehrt gilt: Wenn wir langsamer atmen, verlangsamt sich auch der Puls– zwischen Atem und Puls stellt sich immer wieder ein Verhältnis von etwa 1 zu 4 ein–, und die Anspannung lockert sich. Probieren Sie es einmal aus, Ihren Atem bewusst zu steuern. Der Trick dabei: Auf das Ausatmen achten. Tiefes Einatmen interpretiert Ihr Unterbewusstsein als Luftholen, um mit dem Ärger herauszuplatzen. Bei langsamem Ausatmen hingegen verliert der Ärger an Umfang, ähnlich einem aufgeblasenen Luftballon, der plötzlich geöffnet wird. Also: In der nächsten Stresssituation zwanzig Sekunden lang in einem Zug Luft ablassen.
Zu mehr Gelassenheit verhilft auch, wenn Sie das Problem, das Ihnen die Ruhe raubt, unter dem Aspekt betrachten, ob Sie etwas daran ändern können oder nicht. Den schwierigen Kollegen, der Ihnen auf die Nerven geht, werden Sie kaum in einen liebenswerten Zeitgenossen verwandeln können. An dem Stau, in dem Sie stecken, können Sie auch nichts ändern. Genauso wenig haben Sie es in der Hand, eine wirtschaftliche Krise oder Rezession abzuwenden. Über etwas, das Sie nicht beeinflussen können, sollten Sie sich nicht ärgern. Aber auf manche Situationen können Sie sich zumindest einstellen. Nehmen Sie zum Beispiel auf die Autofahrt ein spannendes Buch oder ein Diktiergerät oder einen Laptop mit, damit Sie die Zeit sinnvoll nützen können, wenn das nächste Mal der Verkehr zusammenbricht.
Konzentrieren Sie sich auf Dinge, die Sie für sich ändern können: Lernen Sie dazu und bauen Sie Ihre Fähigkeiten aus, dann werden Sie auch in der Krise ein gefragter Mitarbeiter sein. Verschwenden Sie jedoch keine Zeit mit dem Versuch, die anderen oder die Welt an sich zu verändern. Wenn Ihnen das gelingt, werden Sie schnell spüren, dass Sie viel gelassener werden. Ärger und Ohnmachtsgefühle gehören dann schnell der Vergangenheit an, und mit dieser Einstellung werden Sie in Zukunft in weniger Auseinandersetzungen geraten, die zu Konflikten führen könnten.
Kündigung und verpasste Chancen – lernen loszulassen
Früher habe ich alle drei bis vier Jahre den Arbeitsplatz gewechselt. In der Regel gingen die Kündigungen von mir aus. Nur einmal verlor ich meinen Job, weil ein Objekt, das ich geleitet hatte, vom Verlag eingestellt wurde. Warum verlässt man ein Unternehmen, wenn es einem doch eigentlich gut geht, man routiniert seine Aufgaben erledigt, ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten hat und auch die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen? Für mich war die Antwort einfach: Nach einer bestimmten Zeit hatte ich alles gelernt und erlebt, was es in diesem Job zu lernen und zu erleben gab. Es gab keine
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