Das Dalai-Lama-Prinzip für Paare: Wie achtsame Liebe gelingt
Quality-Time zu zweit erleben. Unter der Bettdecke
wieder für ein bisschen mehr Zunder sorgen. Solche Rezepte mögen zwar in vielen Fällen funktionieren. Doch dabei vergessen Paare vor allem eines: Liebe ist individuell. Sie durchläuft verschiedene Phasen, in denen es mal wunderschön, mal schwierig sein kann. Aber sie erfordert, damit sie gelingen kann, nun einmal dies: Achtsamkeit, Respekt und Zeit. Diese Begriffe werden deshalb in unserem Buch immer wieder auftauchen, und wir wollen versuchen zu erklären, wie man sie in sein Liebesleben integrieren kann.
Wenn wir beispielsweise über Achtsamkeit sprechen, geht es uns darum zu zeigen, warum es vielen Paaren daran mangelt – und was man dagegen tun kann. Als Liebende leben viele Menschen im Westen nämlich nicht in der Gegenwart. Im Alltag beziehen sie sich auf die Vergangenheit, vor allem dann, wenn es Streit gibt und Vorwürfe hagelt (»Warum hast du damals …«). Oder ihre Gedanken kreisen um die Zukunft, und sie fürchten sich zum Beispiel davor, dass der Partner eines Tages gehen könnte, jemand Attraktiveres vorziehen könnte. Das Resultat ist in beiden Fällen das gleiche: Weil der andere spürt, dass man mental nicht ganz bei der Sache ist, dass man sich gedanklich ständig mit zurückliegenden oder künftigen Katastrophen beschäftigt, kann keine wahre Intimität aufkommen.
Die Angst, sagen Buddhisten, entsteht in unserem Kopf. Sie bezieht sich auf Dinge, die in Zukunft geschehen könnten, aber heute noch nicht sind. Und so lässt sich tiefe Furcht vor der Liebe am besten mit klarem Kopf begegnen: indem man sich bewusst macht, wieso
die Angst entsteht und woran sie einen hindert. Und wie man es schafft, den Geist zur Ruhe und in die Gegenwart zu bringen. Auch davon soll dieses Buch handeln.
Wir möchten außerdem zeigen, nach welchen Regeln die Liebe wächst und gedeiht, welche immer wiederkehrenden Phasen sie dabei durchläuft. Wir möchten ein Plädoyer dafür halten, Glück und Nähe in dem Augenblick zu finden, in dem wir leben, mit genau dem Menschen, der gerade an unserer Seite ist. Und wir möchten Sie dazu auffordern, westliche Idealvorstellungen von der Liebe gelegentlich zu überdenken.
Lieben im Hier und Jetzt
Sich verlieben heißt auf Englisch: to fall in love , auf Französisch: tomber amoureux . Wortwörtlich übersetzt heißt beides: in die Liebe fallen. Aber impliziert Fallen nicht auch mangelndes Gleichgewicht? Im Grunde versetzt Verlieben uns also in einen Zustand, der nicht taugt, klare Gedanken zu fassen. Dies ist kein Appell, sich nicht mehr zu verlieben. Es ist nur die Anregung dazu, den Zustand zu hinterfragen und zu verstehen, was in diesem Moment in uns abläuft.
Sich verlieben – aus westlicher Sicht
In der romantischen westlichen Vorstellung des Verliebtseins projizieren wir Wünsche, Träume und Befürchtungen in die Zukunft. »Vielleicht könnten wir zusammenziehen und dann heiraten?« »Hoffentlich will er Kinder!« »Was, wenn sie in zehn Jahren einen Herzinfarkt erleidet?« »Vielleicht ändert er seine komischen Angewohnheiten doch noch.« Lieben spielt sich in westlichen Kulturen im Wesentlichen in der Zukunft ab und ist darauf ausgerichtet, dass die Lebensumstände irgendwann vielleicht doch ein bisschen schöner sind als heute – oder schrecklicher.
Unseren Liebsten/unsere Liebste sehen wir ebenfalls
nicht so, wie er oder sie augenblicklich ist. Sondern als Objekt unserer Begierde, als Mensch, den wir verändern und formen können – und er uns. Was für ein Irrtum! »In Wahrheit existiert der Mensch, der unseren Erwartungen so sehr entspricht, gar nicht. Wir selbst haben ihn geschaffen, gekleidet und genährt. Er ist unsere Kreatur«, schreibt Flavia Mazelin Salvi in ihrem Buch Zen und die Kunst, zu zweit zu leben . Er ist unsere Projektion. Und so sitzen wir in der Liebe jeder Menge Illusionen auf, zum Beispiel der, mit dem anderen verschmelzen zu können. Daraus entsteht der Gedanke, ohne den anderen nichts zu sein, dem anderen wesensgleich zu sein. In jedem Fall behindert unsere westliche Vorstellung von Verliebtsein eine der Grundvoraussetzungen, wirklich glücklich mit einem anderen Menschen zu sein. Nach östlicher Auffassung funktioniert das nämlich nur dann, wenn wir wirklich ganz bei diesem Menschen sind, jetzt und in diesem Moment, und unsere Gedanken nicht wie ein wild gewordener Affe vom Gestern aufs Morgen springen. Im Buch verteilt finden Leserinnen und Leser deshalb Übungen, die dazu
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