Das Dalai-Lama-Prinzip für Paare: Wie achtsame Liebe gelingt
gesehen? Und wie zwei Tage später, als alles wieder in bester Ordnung war?
Und das sind nur ganz offensichtliche Erscheinungen. Aus diesem Grund haben wir keinerlei Kontrolle über unser Leben, auch wenn wir versucht sind zu denken, wir hätten sie. Glück, das von äußeren Einflüssen abhängig ist, ist nur relativ. So angenehm diese Zustände auch sein mögen, wir können darauf nicht bauen. Denn da sie wieder vorübergehen werden, ist letztendlich nur auf dauerhafte Werte wirklich Verlass. Das nennen Buddhisten das Leid der Bedingtheit. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass man bedingte Freuden auf jeden Fall meiden müsse. Es geht vielmehr um eine Veränderung der inneren Haltung gegenüber den vergänglichen Zuständen des relativen Glücks: Wir dürfen unsere Person nicht an diese Äußerlichkeiten binden und unser Glück nicht davon abhängig machen.
An diesem Punkt wird die buddhistische Lehre häufig missverstanden. Man muss sich deswegen nicht kasteien
oder Mönch oder Nonne werden. Es ist nicht nötig, vom Extrem der Anhaftung in das andere Extrem der Entsagung zu wechseln. Wir können immer den Mittelweg wählen: genießen, ohne uns an das von äußeren Faktoren bedingte Glück innerlich zu binden.
Warum leiden wir?
Jeder von uns hat irgendwann im Leben die eine oder andere Form des Leids (oder alle drei) kennengelernt. Doch wo liegt der Grund für die verschiedenen Formen unseres Unglücks?
Für Buddhisten ist die Antwort leicht: Unsere Unwissenheit ist die Ursache allen Leidens. Hört man das zum ersten Mal, fällt es schwer, etwas mit dieser Aussage anzufangen. Wir Menschen sind doch intelligente Wesen, wir können Computer, Raketen und Autos konstruieren, Symphonien komponieren und Romane schreiben, machen Erfindungen auf allen Gebieten. Der Wissensfortschritt ist unaufhaltsam. Nichts scheint sich unserer Wahrnehmung und unserer Intelligenz zu verschließen. Was genau begreifen wir denn nicht?
In der Tat verstehen wir etwas ganz Grundlegendes falsch: Unser Bewusstsein sagt uns, dass wir eine fest umrissene Einheit sind, die sich mit einer von uns getrennten Außenwelt auseinandersetzen muss. Unser Geist kann nicht seine eigene Natur erkennen. Denn der Geist arbeitet wie ein Auge: Er nimmt alles in der Außenwelt wahr, ohne sich selbst sehen zu können. Ich innen
und alles andere außen – so ist jede Erfahrung von einem grundlegenden Gefühl der Trennung begleitet.
Wir teilen die Welt in Innenwelt (»Ich«) und Außenwelt (»Du«). Der Geist (Bewusstsein), der erlebt, erfährt sich als »Ich« (Subjekt), das Erlebte wird zum »Du« oder etwas anderem (Objekt). Dieses »Ich« ist aber weder im Körper noch in den Gefühlen noch in den Gedanken zu finden. Es gibt nur einen permanenten Strom von Gedanken, Gefühlen und Eindrücken, der sich zudem ständig ändert. Trotzdem ist die Vorstellung eines Ichs und einer fest umrissenen Persönlichkeit für uns Grundlage aller Erfahrung und unserer gesamten Existenz. Was also ist das »Ich«? Für den Buddhisten ist die Antwort klar. Ein Ich gibt es nicht. Sucht man danach, so lässt sich nichts festmachen, was man als Ich bezeichnen kann. Das Ich ist weder beständig noch fest, so wie alles, was uns umgibt. Unser Geist ist in seiner wahren Natur offen wie der Raum, eine Art zeitloser Behälter, der alles erscheinen lässt, umfasst und miteinander verbindet. Buddhas Erklärungen decken sich dabei übrigens mit den Erkenntnissen der modernen Physik, wonach die Eigenschaften der Materie abhängig vom Beobachter sind, und mit den Ergebnissen der Hirnforschung, die bei der Suche nach einer zentralen Ich-Instanz bisher nichts entdecken konnte.
Diese dualistische Sichtweise bewirkt Folgendes: Wenn wir die Welt in Ich und Du teilen, wenn wir nicht sehen, dass wir mit allem verbunden sind, wenn wir unser vermeintliches Selbst um jeden Preis erhalten wollen, dann wird unser Leben von zwei Prinzipien dominiert: Wir suchen
Glück und versuchen Leid zu vermeiden; wir tun Dinge, die uns Spaß machen, und wir versuchen, Schmerzen aus dem Weg zu gehen; wir streben Dinge an, von denen wir uns Nutzen oder Bereicherung versprechen; wir meiden Dinge, die uns schwach, krank oder unglücklich machen. Lama Ole Nydahl, einer der bekanntesten westlichen Lehrer des Buddhismus, erklärt es so: »Die Empfindung von Dualität führt zur Entstehung von Anhaftung an Angenehmes und Widerwillen gegen Unangenehmes. Anhaftung, weil wir Angenehmes festhalten wollen, und Widerwillen,
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