Das Dalai-Lama-Prinzip für Paare: Wie achtsame Liebe gelingt
unverstellt und vertraut mit seinem Partner umgehen, wenn man ihn tags zuvor hintergangen hat? Ein schlechtes Gewissen belastet eine Beziehung mehr als vieles andere. In einer harmonischen Beziehung verspüren Partner übrigens oft nicht das geringste Bedürfnis nach einer anderen Liebeserfahrung.
In jedem Fall sollte eine riesengroße Warnlampe angehen, wenn wir uns dabei ertappen, wie wir den Partner belügen (oder umgekehrt merken, dass er unehrlich ist). Dann stimmt nämlich etwas Grundsätzliches in der Partnerschaft nicht. Dann leiden wir unter einem Defizit, fühlen uns unverstanden, versuchen vielleicht, uns zu rächen oder aus der Beziehung zu stehlen, auch wenn das Unterbewusstsein diesen Wunsch noch gar nicht richtig
realisiert hat. An diesem Punkt muss man offen miteinander reden.
Die Wahrheit sagen heißt nicht, schonungslos und brutal alles auszusprechen, was einem durch den Kopf geht. Es besteht immer auch die Gefahr, durch vorgebliche Aufrichtigkeit den Partner zu verletzen oder zu terrorisieren. Es geht auch nicht darum, dem anderen beständig seine Fehler und Schwächen vorzuhalten. Ehrlichkeit bedeutet in einer Beziehung, dem Partner zu verstehen zu geben, wie es einem selbst geht, was man gerade empfindet, welche Sehnsüchte, Ängste, Probleme, Hoffnungen und Träume man hat, und zwar ohne ihn zu verletzen. Ehrlich mit dem Partner zu sein heißt, Lebenslügen und falsche Bilder von sich selbst zu zerstören, um damit dem anderen Sicherheit zu geben.
Aber nicht nur derjenige, der unverhohlen lügt, sondern auch der, der dem anderen vieles verschweigt, verhält sich unaufrichtig. Es ist legitim, auch in der Partnerschaft die eigene Privatsphäre zu schützen, nicht jeder Gedanke muss ausgesprochen werden. Im Gegenteil: »In vielen Partnerschaften wird viel zu viel geredet, jedes Miniproblem auseinandergenommen. Manchmal kann es auch guttun, ein Geheimnis für sich zu behalten«, sagt Paartherapeutin und Autorin Ursula Nuber. Vorausgesetzt, es ist ein gutes Geheimnis – das bedeutet: eines, das die Partnerschaft nicht an ihrem Wachstum hindert, eines, das der andere nicht wissen muss, wenn er mit mir zusammenlebt. Wer sich aber dauernd nach etwas sehnt, was der Partner nicht leisten kann oder will, sollte es ihm besser erzählen.
Stefan Rieß
Claudia und ich versuchen immer auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen und ehrlich über die eigenen Gefühle zu sprechen. Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter, und es hängt natürlich sehr von der Stimmung des anderen ab. Ist meine Frau sowieso schon niedergeschlagen, muss ich nicht unbedingt über Zukunftssorgen sprechen; spürt sie bei mir Selbstzweifel, ist es wenig sinnvoll, wenn sie Kritik an einem bestimmten Verhalten von mir äußert. Am nächsten Tag kann das aber genau richtig sein.
Manchmal fällt es mir schwer, Themen anzusprechen, vor denen ich Angst habe oder die zu einem Konflikt führen könnten. Dennoch versuche ich das nicht auf die lange Bank zu schieben. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, sind es gerade die Punkte, die sich keiner anzusprechen traut, die eine Beziehung auf Dauer belasten und gefährden können.
Zur Aufrichtigkeit gehört für mich auch, dass man dem Partner immer wieder Anerkennung zollt, ihm mit Worten Wertschätzung zeigt, sich lobend über ihn äußert. Allzu oft vergessen wir im Alltag, unserem Partner zu sagen, wie großartig wir ihn finden, wie schön er ist und wie sehr wir uns freuen, mit ihm zusammen zu sein.
Aufrichtigkeit hilft, Auseinandersetzungen erst gar nicht entstehen zu lassen. Dennoch wird es immer auch in einer Beziehung zu Auseinandersetzungen kommen. Manchmal werden die Positionen der Partner diametral entgegengesetzt sein. Konflikte gehören zu jeder Partnerschaft. Und man muss ihnen auch nicht unbedingt aus dem Weg gehen. Es kommt darauf an, richtig mit ihnen umzugehen. Denn Konflikte lassen sich lösen.
Fünf Fragen zum Thema Aufrichtigkeit
Belügen Sie Ihren Partner hin und wieder? Wenn ja, warum?
Haben Sie Ihren Partner schon einmal betrogen?
Welche Gefühle lösen die Lügen oder das Betrügen bei Ihnen aus?
Wie ehrlich sind Sie sich selbst gegenüber?
Für welche Geheimnisse Ihres Partners hätten Sie Verständnis?
Fünfte nützliche Handlung: Eintracht schaffen
Selbst wenn man sich vom Partner aufs Äußerste angegriffen, verletzt oder beleidigt fühlt, sollte man versuchen, auf ihn zuzugehen, statt sich gekränkt zurückzuziehen. Wer streitet, muss auch die Hand
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