Das Dalai-Lama-Prinzip für Paare: Wie achtsame Liebe gelingt
Freiraum?
Zweite nützliche Handlung: freigiebig sein
Geben ist ein entscheidender Part jeder Beziehung. Dem Partner eine Freude zu bereiten – ob wir ihm nun hin und wieder Komplimente machen, ihm etwas Hübsches schenken oder ihn einfach teilhaben lassen an unserem eigenen inneren und äußeren Erleben. Über kleine Geschenke freut sich natürlich jeder. Aber es sind vor allem die immateriellen Dinge, mit denen wir freigiebig und großzügig wuchern sollten: uns Zeit nehmen für den anderen, sich in seine Bedürfnisse hineinversetzen und ihm damit immer wieder zeigen, welchen großen Stellenwert er in unserem Leben hat. Das kann die kurze gemeinsame Mittagspause sein oder das spontan anberaumte Picknick nach Feierabend.
Freigiebigkeit heißt aber auch, dem Partner Aufgaben abzunehmen und ihm zu helfen, seinen Alltag zu bewältigen. Das kann bei der Mithilfe im Haushalt beginnen, es kann aber auch so weit gehen, dass man dem Partner eine Ausbildung finanziert, die er gerne machen würde, sich aber nicht leisten kann.
Stefan Rieß
In der Vergangenheit fiel es mir schwer zu teilen, heute kann ich das sehr gut. Während früher materielle Dinge eine übergroße Bedeutung für mich hatten, freue ich mich heute darüber, wenn sich meine Frau oder meine Kinder ebenfalls an diesen Dingen erfreuen oder wenn andere Menschen Dinge, die mir »gehören«, mitbenutzen. Wenn meine Kinder Bücher oder CDs aus meinem Regal nehmen, ist das in Ordnung. Und genauso kann meine Frau Claudia über mein Konto verfügen, ohne Rechenschaft abzulegen.
Eine Selbstverständlichkeit? Ja. Aber in jungen Jahren war das für mich undenkbar: Mein Auto, mein Konto … zwischen »mein« und »dein« bestand ein großer Unterschied, von »unser« wollte ich nichts wissen. Meine Privatsphäre und persönlichen Belange waren mir extrem wichtig. Wenn ich dieses oder jenes tun wollte, dann machte ich es, ohne dabei Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Menschen zu nehmen.
Das vielleicht am meisten Verbindende ist das Teilen des Alltags auf gleichberechtigte Weise, das Reden über die Ereignisse des Tages, das Teilnehmen an allen Fragen, die den Partner beschäftigen. Dieses Teilen gelingt am besten, indem man einfach nur zuhört. Es ist nicht ratsam, in diesem Zusammenhang jede Bemerkung des Partners gleich einzuordnen und zu bewerten. Alles ist von gleichem Wert: Kleine alltägliche Probleme sind genauso bedeutsam wie große Entscheidungen, das Gespräch mit dem Chef ist ebenso wichtig wie das mit der Aushilfe im Kindergarten.
Anne-Bärbel Köhle
Je mehr ich meinem Mann von mir mitteile, je öfter er mich in ganz alltäglichen Situationen erlebt, desto größer werden das Verständnis und die Verbundenheit zwischen uns. Das war nicht immer so. Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, in dem es vor allem darum ging, Stärke zu zeigen und Schwäche zu verbergen. Im Laufe meines Lebens aber merkte ich: Wer hart zu sich selbst ist, tendiert auch dazu, hart zu anderen zu sein. Als junge Frau hatte ich fast nie die Geduld, meinem (sehr geduldigen und eher ruhigen) Mann wirklich zuzuhören, wenn ihm etwas auf der Seele brannte. Ich nahm es wohl zur Kenntnis, antwortete auch darauf, aber es drang nicht wirklich in mein Herz.
Heute ist das anders: Ich nehme mir Zeit für das Seelenleben meines Mannes. Ich versuche zutiefst, Fergus zu verstehen. Ich bemühe mich, mich gänzlich auf seine Schilderung einzulassen und die Stimmen im Kopf zu ignorieren, die bewerten und bereits eine Antwort parat haben (ich bin in unserer Beziehung die deutlich Redefreudigere und Lebhaftere). Ich will in diesem Moment ganz für ihn da sein. Seitdem ich mich um diese Haltung bemühe, führen wir übrigens viel weniger Auseinandersetzungen, weil jeder von uns davon ausgehen kann, dass der andere das Interesse des Partners im Auge behält.
Freigiebigkeit bedeutet aber auch, großzügig hinwegsehen zu können: den Partner so sein zu lassen, wie er ist, kleine Fehler und Nachlässigkeiten rasch zu verzeihen. Der andere kritisiert mich, redet zu viel, belehrt einen – wo liegt das Problem? Wir können das, was uns stört, kurz ansprechen, aber es besteht kein Grund, sich durch bestimmte Verhaltensweisen des anderen angegriffen zu fühlen. Wir sind nicht dazu da, unseren Partner zu erziehen. Unsere einzige Aufgabe ist es, ihn so zu nehmen, wie er ist, und ihm zu helfen zu werden, wie er gerne sein möchte. Das Einzige, was wir leisten können, ist, ihn dabei zu
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