Das Dampfhaus
Fragen kurz zu beantworten.
Eine Stunde später machten wir in der Nähe eines reißenden Baches Halt, an dessen Uferwand sich noch die frischen Spuren von Thieren zeigten. In der Mitte einer kleineren Lichtung erhob sich ein Pfahl, an dem ein großes Rinderviertel hing.
Die Lockspeise war nicht ganz unberührt. Die Zähne von Schakals, diesen Spitzbuben der Fauna Indiens, hatten sie benagt; jene schweifen ja Tag und Nacht nach Beute umher – hier sollte sie ihnen nicht zu Theil werden. Ein Dutzend jener feigen Räuber flohen bei unserer Annäherung und überließen uns den Platz.
»Herr Kapitän, begann Kâlagani, hier wollen wir die Tigerin erwarten. Sie sehen, daß der Ort zu einem Hinterhalte ganz passend ist.«
Es bot in der That keine Schwierigkeit, sich in den Bäumen oder hinter den Felsblöcken so zu verbergen, daß der Pfahl in der Mitte der Waldblöße unter Kreuzfeuer zu nehmen war.
Das geschah denn auch sofort. Goûmi nahm mit mir auf demselben Aste Platz. Kapitän Hod und Fox richteten sich Beide auf den Zweigen der ersten Gabelung zweier großer, üppig grüner Eichen ein.
Kâlagani selbst hatte sich hinter einem hohen Felsblocke versteckt, den er, wenn es noth that, erklimmen konnte.
Das Thier konnte somit in einen Kreis von Feuer genommen werden, aus dem an kein Entrinnen zu denken war. Alles lag für jenes so ungünstig als möglich, obwohl wir immer auf unvorhergesehene Zwischenfälle gefaßt sein mußten.
Nun hieß es geduldig warten.
Die nach allen Seiten auseinander gestäubten Schakals ließen im benachbarten Gebüsch noch immer ihr heiseres Bellen hören, wagten sich aber an das Rinderviertel nicht wieder heran.
Eine Stunde mochte verflossen sein, als das Bellen plötzlich schwieg. Fast in dem nämlichen Augenblicke sprangen zwei oder drei Schakals aus dem Dickicht jagten über die Lichtung und verschwanden im dunkleren Walde.
Wir ließen sie herankommen. (S. 266.)
Ein Zeichen Kâlagani’s, der sich anschickte, den Felsen zu ersteigen, ermahnte uns, jetzt auf der Hut zu sein.
Die urplötzliche Flucht der Schakals konnte wirklich nur durch die Annäherung eines größeren Raubthieres – ohne Zweifel der Tigerin – veranlaßt sein, und wir durften jeden Moment erwarten, sie irgendwo in die Lichtung heraustreten zu sehen.
Unsere Waffen waren bereit. Schon richteten sich die Gewehre Kapitän Hod’s und Fox’ nach der Stelle des Gebüsches, aus dem die Schakals hervorgebrochen waren; ein Fingerdruck und die Schüsse krachten! Bald bemerkte ich in den höheren Zweigen des Dickichts eine leise Bewegung; gleichzeitig hörte man das dürre Holz brechen. Irgend ein Thier bewegte sich vorsichtig, offenbar ohne Uebereilung, darunter hin. Von den Jägern, die ihm im dichten Laub auflauerten, konnte es sicherlich nichts bemerken. Dennoch schien ihm der Instinct zu sagen, daß der Ort nicht ganz geheuer sei. Wenn es nicht der Hunger trieb, wenn nicht die Ausdünstung des Fleisches jenes angelockt hätte, würde es schwerlich weiter gegangen sein.
Doch – da erschien es zwischen den Zweigen eines Gebüsches und blieb, wie mißtrauisch, einen Augenblick stehen.
Es war eine Tigerin von mächtigem Wuchs, prächtigem Kopfe und geschmeidigem Körper. Sie bewegte sich schleichend vorwärts wie ein Reptil, das sich auf der Erde hinwindet.
Es wäre um den Händler geschehen gewesen… (S. 267.)
Wir ließen sie nach Verabredung bis an den Pfahl herankommen. Sie schnüffelte auf dem Boden hin, erhob sich wieder und krümmte den Rücken hoch auf, wie eine gewaltige Katze, welche eben nicht springen will.
Plötzlich krachten zwei Gewehrschüsse.
»Nummer zweiundvierzig! rief Kapitän Hod.
– Nummer achtunddreißig!« ließ Fox sich vernehmen.
Der Kapitän und sein Diener hatten zu ganz gleicher Zeit und so sicher geschossen, daß die Tigerin, von einer, wenn nicht gar von zwei Kugeln im Herzen getroffen, todt zusammenbrach.
Kâlagani sprang zuerst auf das Thier zu. Wir selbst kletterten sofort zur Erde.
Die Tigerin zuckte nicht mehr.
Wem kam jedoch die Ehre zu, sie tödtlich getroffen zu haben? Dem Kapitän oder Fox? Man begreift, daß diese Frage hier von Bedeutung war. Das Thier wurde geöffnet. Zwei Kugeln hatten das Herz getroffen.
»Ei nun, begann der Kapitän, doch nicht ohne einiges Bedauern, so zählt sie für jeden von uns zur Hälfte!
– Zur Hälfte, Herr Kapitän!« wiederholte Fox im nämlichen Tone.
Ich glaube bestimmt, daß Keiner den ihm gebührenden
Weitere Kostenlose Bücher