Das Dampfhaus
Canalisationsarbeiten, Baumwollanpflanzungen, welche hier ganz besonders gedeihen, das Knarren der Baumwollpressen, die man in jedem Dorfe findet, Gesang der Arbeiter, welche jene bedienen – das sind die Eindrücke, die ich von Doab, wo in der Urzeit die erste kirchliche Gemeinschaft gegründet wurde, zurückbehalten habe.
Unsere Fahrt ging ganz nach Wunsch von statten. Die Landschaften wechselten sozusagen nach den Launen unserer Phantasie. Unsere Wohnung zog ohne Anstrengung weiter zum Ergötzen unserer Augen. Stellte sie nicht, wie Banks im voraus behauptet hatte, die höchste Stufe der Vollkommenheit eines Transportmittels dar? Die Karren mit Ochsengespann, die Wagen mit Pferden oder Mauleseln, ja, die Waggons der Eisenbahnen, was waren sie gegen unsere dahinrollenden Häuser?
Am 19. September hielt das Steam-House am linken Ufer der Jumna an. Dieser bedeutende Fluß scheidet im mittleren Theile der Halbinsel das eigentliche Land der Rajahs oder Rajasthan von Hindostan, dem engeren Vaterlande der Hindus.
Die Jumna hatte eben einen ziemlich hohen Wasserstand und in Folge dessen auch stärkere Strömungen als gewöhnlich, wodurch unser Uebergang zwar ein wenig erschwert, aber doch keineswegs verhindert wurde. Banks vernachlässigte auch die nöthige Vorsicht nicht. Zunächst mußte ein passender Landungsplatz gesucht werden; einen solchen entdeckten wir bald. Eine halbe Stunde später schon stieg das Steam-House am anderen Ufer des Flusses langsam empor. Für Eisenbahnzüge braucht man große, oft mit ungeheueren Kosten hergestellte Brücken, und eine solche – eine Röhrenbrücke – führt auch bei der Festung von Selimgarh, in der Nähe von Delhi, über die Jumna. Für unseren Stahlriesen sammt den beiden von ihm gezogenen Wagen boten die Wasserläufe einen ebenso bequemen Weg, wie die schönsten macadamisirten Landstraßen der Halbinsel. Jenseits der Jumna liegen in dem Gebiete von Rajasthan eine Anzahl Städte, welche der Ingenieur vorsichtiger Weise bei unserer Fahrt nicht berühren wollte; so zur linken Hand z. B. Gwalior, an dem Flusse Rawunrika, auf hochaufstrebenden Basaltfelsen mit seiner prächtigen Moschee Musjid, dem Palaste Pal, dem merkwürdigen Elephantenthore, dem berühmten Festungswerke und mit seiner Vihara von buddhistischem Ursprung; es ist eine uralte Stadt, der freilich das in einer Entfernung von zwei Kilometern angelegte neuere Laschkar eine recht ernsthafte Concurrenz macht. Hier, im Herzen dieses Gibraltars von Indien, hatte die Rani von Jansi, Nana Sahib’s ergebene Bundesgenossin, bis zur letzten Stunde wahrhaft heldenmüthig gekämpft. Hier wurde sie auch, bei einem Treffen gegen die zweite Escadron der Husaren der königlichen Armee, wie wir wissen, von der Hand des Oberst Munro getödtet, der mit einem Bataillon seines Regimentes bei der Affaire betheiligt war. Von diesem Tage her schrieb sich, wie uns gleichfalls bekannt ist, der unauslöschliche Haß Nana Sahib’s, den der Nabab bis zu seinem letzten Athemzuge zu befriedigen gesucht hatte. Ja, es war besser, daß Sir Edward Munro’s Erinnerungen unter den Thoren von Gwalior nicht wieder wachgerufen wurden!
Nach Gwalior lag, westlich von unserer neuen Reiseroute, Antri mit seiner weit ausgedehnten Ebene, aus der da und dort, gleich den Inseln eines Archipels, spitze Einzelberge emporragen. Ferner Duttiah, das noch nicht fünf Jahrhunderte alt ist und an dem man die zahlreichen Häuser ebenso bewundert, wie das Festungswerk inmitten der Stadt, neben den Tempeln mit den verschiedenartigsten Thürmen, den verödeten Palast Dirding Deo’s, das Arsenal Tope Oana – Alles zusammen die Hauptstadt des Königreichs Duttiah bildend, das in der nördlichen Ecke von Bundelkund liegt und unter englischem Schutze steht. Ganz wie Gwalior, waren auch Antri und Duttiah von der Erhebung des Jahres 1857 ernsthaft berührt worden.
Endlich kamen wir am 22. September in einer Entfernung von wenigstens vierzig Kilometer bei Jansi vorüber. Diese Stadt bildet die wichtigste Militärstation von Bundelkund, während unter den niederen Volksschichten daselbst ein leicht erregbarer revolutionärer Geist herrscht. Jansi, eine verhältnißmäßig neue Stadt, treibt bedeutenden Handel mit einheimischem Muslin und blauen Baumwollenwaaren. Es findet sich hier kein Bauwerk aus der Zeit vor der Gründung, welche erst im 17. Jahrhundert stattfand. Immerhin ist es von Interesse, die hiesige Citadelle zu besuchen, deren äußere Mauern die Geschosse der
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