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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Sie doch an, oder?«
    Merton machte ein lautes Geräusch mit den Lippen.
    »Mr. Rafelson, ich kann nicht mit ansehen, dass Sie sich die Gelegenheit entgehen lassen, ein bisschen Erde zu schnuppern und unter einer Zeltplane zu sitzen. Eine Gelegenheit, über die größte archäologische Sensation unserer Zeit zu sprechen.«
    Mitch fand seine Armbanduhr und sah auf das Datum. »Na gut«, sagte er, »wenn Eileen mich einlädt.«
    Er legte auf, ging ins Badezimmer, putzte sich die Zähne und sah in den Spiegel.
    Mehrere Tage lang hatte er in seinem Appartement Trübsal geblasen, weil er sich nicht entscheiden konnte, was er als Nächstes tun sollte. Er hatte die EMailAdresse und eine Telefonnummer von Christopher Dicken bekommen, aber er hatte noch nicht den Mut aufgebracht, ihn anzurufen. Sein Geld ging schneller zur Neige, als er erwartet hatte. Und bisher drückte er sich davor, seine Eltern wegen eines Darlehens anzugehen.
    Er hatte sich gerade das Frühstück gemacht, da klingelte erneut das Telefon. Es war Eileen Ripper.
    Nachdem Mitch mit ihr gesprochen hatte, setzte er sich kurz in den verschlissenen Sessel im Wohnzimmer. Dann stand er auf und sah aus dem Fenster auf den Broadway. Draußen wurde es hell. Er öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. Auf der Straße gingen die Menschen hin und her, an der roten Ampel vor dem Imbiss hielten die Autos.
    Er rief zu Hause an. Seine Mutter nahm ab.
35
    National Institutes of Health, Bethesda
    »Das hat es auch schon früher gegeben«, sagte Dicken. Er brach ein Rosinenbrötchen in der Mitte durch und tauchte die eine Hälfte in den Schaum auf seinem Milchkaffee. Die riesige, moderne Cafeteria des NatcherBaues war um diese Zeit am Vormittag fast leer, und das Essen war hier besser als in der Kantine im Gebäude 10. Sie saßen an den hohen, getönten Fenstern ein ganzes Stück entfernt von den anderen Angestellten. »Genauer gesagt ist es in Georgien passiert, in oder bei Gordi.«
    Kayes Mund formte sich zu einem O. »Mein Gott. Das Blutbad …«
    Draußen brach die Sonne durch die tief hängenden Morgenwolken, sodass sich auf dem Gelände und in der Cafeteria Schatten und helle Flecken bildeten.
    »Ihre Gewebe enthalten in allen Fällen SHEVA. Ich hatte nur Proben von drei oder vier, aber die hatten es alle.«
    »Und das haben Sie Augustine nicht gesagt?«
    »Ich habe mich auf die klinischen Befunde gestützt, auf die aktuellen Berichte aus den Krankenhäusern … Was würde es schon für eine Rolle spielen, wenn ich SHEVA ein paar Jahre zurückverlege, und zwar höchstens zehn? Aber vor zwei Tagen habe ich ein paar Akten aus einem Krankenhaus in Tiflis bekommen. Ich habe dort einem jungen Assistenzarzt zu ein paar Kontakten in Atlanta verhelfen. Er hat mir von Leuten im Gebirge erzählt. Die Überlebenden eines anderen Massakers, dieses Mal vor sechzig Jahren.
    Während des Krieges.«
    »Die Deutschen sind nie bis Georgien gekommen«, sagte Kaye.
    Dicken nickte. »Es war Stalins Armee. Sie haben ein einsames Dorf am Kazbeg fast völlig ausgelöscht. Vor zwei Jahren hat man ein paar Überlebende gefunden. Die Regierung in Tiflis schützt sie. Vielleicht hatten sie die Säuberungen satt, vielleicht … vielleicht wussten sie überhaupt nichts von Gordi oder von den anderen Dörfern.«
    »Wie viele Überlebende?«
    »Ein Arzt namens Leonid Sugashvili hat einen kleinen Privatkreuzzug zur Aufklärung unternommen. Seinen Bericht hat der Assistenzarzt mir geschickt – veröffentlicht wurde er nie. Aber er ist ziemlich gründlich. Zwischen 1943 und 1991 wurden nach seiner Schätzung in Georgien, Armenien, Abchasien und Tschetschenien insgesamt etwa dreizehntausend Männer, Frauen und sogar Kinder getötet. Man brachte sie um, weil jemand sie für die Überträger einer Krankheit hielt, die bei schwangeren Frauen eine Fehlgeburt verursacht. Wer die erste Säuberung überlebte, wurde später ausfindig gemacht … weil die Frauen mutierte Kinder zur Welt brachten. Kinder mit Flecken im ganzen Gesicht, mit seltsamen Augen, Kinder, die gleich nach der Geburt schon sprechen konnten. In manchen Dörfern übernahm die örtliche Polizei das Morden. Aberglaube ist schwer auszurotten. Den Männern und Frauen – Müttern und Vätern – wurde vorgeworfen, sie hätten sich mit dem Satan verbündet. So viele waren es nicht – über vierzig Jahre hinweg. Aber … Sugashvili vermutet, dass es solche Fälle auch schon vor Jahrhunderten gegeben hat. Zehntausende von Morden. Schuldgefühle,

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