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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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und dann komme ich gleich, um dir zu öffnen. Nur mit großer Mühe habe ich mich von ihm fortgestohlen, um dir ein wenig Trost zu bringen, damit das Warten dir nicht allzu schwer falle.« »Ach, Madonna«, erwiderte der Gelehrte, »ich bitte Euch um Gott, öffnet mir, damit ich dort drinnen unter Dach und Fach warten kann; denn seit kurzem ist der dichteste Schnee von der Welt gefallen, und noch immer schneit es fort. Drinnen will ich auf Euch warten, solange es Euch gefällt.«
    »Weh mir, mein süßes Leben«, entgegnete ihm die Dame, »das kann ich nicht; denn diese Tür macht beim Öffnen solchen Lärm, daß mein Bruder es leicht hören könnte, wenn ich dir öffnete. Aber ich will zu ihm gehen und ihm sagen, daß er sich fortmache, damit ich dann wiederkommen und dir aufmachen kann.« »So gehet denn gleich«, sagte der Gelehrte, »und ich bitte Euch, laßt ein gutes Feuer anmachen, damit ich mich erwärmen kann, sobald ich hineinkomme; denn mein ganzer Körper ist so erstarrt, daß ich kaum noch meine Glieder fühle.« »Das kann nicht gut sein«, entgegnete die Dame, »wenn es wahr ist, was du mir so oft geschrieben hast, nämlich daß du aus Liebe zu mir ganz in Flammen stehst. Ich bin daher gewiß, daß du nur scherzen willst. Doch jetzt gehe ich; warte du und sei guten Mutes.«
    Der Liebhaber, der alles zu seinem großen Ergötzen mit anhörte, kehrte hierauf mit ihr ins Bett zurück, wo sie nur wenig schliefen, sondern fast die ganze Nacht in gemeinsamer Lust und mit Spottreden über den Gelehrten verbrachten. Der Ärmste indes, der wie zum Storch geworden war - so laut klapperte er mit den Zähnen -, bemerkte endlich, daß man ihn zum besten habe. Er rüttelte daher mehrere Male an der Tür, ob sie nicht nachgäbe, und suchte umher, daß er anderswo einen Ausgang fände. Allein, da er keine Gelegenheit entdeckte, lief er im Hofe umher wie ein Löwe im Käfig, fluchte des argen Wetters, der Schlechtigkeit der Dame, der Länge der Nacht und zuletzt seiner eigenen Torheit. Von heftigem Unwillen gegen sie ergriffen, verwandelte er die lange und brennende Liebe, die er zu ihr getragen, plötzlich in den wildesten und grausamsten Haß und trug sich mit vielerlei bösen Gedanken, wie er seine Rache an ihr nehmen könne, wonach er nun noch viel heftiger verlangte, als er vorher mit der Geliebten zusammen zu sein begehrt hatte.
    Nach vielem und langem Warten näherte sich endlich die Nacht dem Tage, und das Zwielicht begann zu erscheinen. Deshalb stieg denn die wohlunterwiesene Magd der Dame hinunter, öffnete den Hof und sagte, indem sie Mitleid mit ihm heuchelte: »Der Böse soll ihn holen, der uns gestern so in die Quere kam. Uns hat er die ganze Nacht hindurch geärgert und geplagt, Euch aber bald erfrieren lassen. Indes, wißt Ihr was? Tragt es in Geduld, denn was diese Nacht nicht hat sein können, wird ein andermal geschehen. Soviel weiß ich, daß der Madonna nichts hätte begegnen können, was ihr unangenehmer gewesen wäre als eben dies.« So entrüstet unser Gelehrter war, so wußte er doch als ein kluger Mann gar wohl, daß Drohungen nichts anderes sind als Waffen für den Bedrohten. Daher verschloß er still in seiner Brust, was der ungezügelte Wille hinauszustoßen begehrte, und sprach mit leiser Stimme, ohne sich im mindesten erzürnt zu zeigen: »In der Tat, ich habe die schlimmste Nacht bestanden, die ich je gehabt habe; doch habe ich wohl eingesehen, daß deine Gebieterin keinerlei Schuld daran hat, war sie ja so mitleidig, daß sie selbst herunterkam, um sich zu entschuldigen und mich zu trösten. Und wie du sagst, was diese Nacht nicht gewesen ist, kann wohl ein andermal geschehen. Empfiehl mich ihr und geh mit Gott.«
    Dann schlich er, vom Frost ganz krumm geworden, nach Hause, so gut er konnte. Hier warf er sich, todmüde wie er war, zum Schlafen auf das Bett, wo er, an Armen und Beinen fast ganz gelähmt, wieder erwachte. Er sandte daher zu einem Arzt, sagte ihm, welchen Frost er ausgestanden hatte, und ließ ihn für seine Gesundheit die nötigen Vorkehrungen treffen. Die Ärzte wandten so kräftige und schnell wirkende Heilmittel an, daß es ihnen, obwohl mit Mühe, nach einiger Zeit gelang, ihn wiederherzustellen und die zusammengezogenen Nerven wieder auszudehnen. Doch wäre er nicht jung gewesen und wäre nicht die warme Jahreszeit dazugekommen, so hätte er noch unsäglich viel auszustehen gehabt. Nachdem er aber wieder frisch und gesund geworden war, verschloß er seinen Haß im

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