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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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schön wie die schönsten, die Ihr je gesehen, zu Euch kommen, Euch begrüßen und Euch freundlich fragen, was Ihr wünscht, daß geschehe. Diesen müßt Ihr Euere Wünsche genau und vollständig kundtun, und hütet Euch wohl, daß Ihr dabei nicht etwa ein Wort oder einen Namen mit dem ändern verwechselt. Habt Ihr ihnen das gesagt, so werden sie verschwinden, und Ihr könnt dann dorthin zurückgehen, wo Ihr Eure Kleider gelassen habt, Euch wieder anziehen und nach Hause zurückkehren. Alsdann wird die folgende Nacht gewiß noch nicht zur Hälfte verstrichen sein, da Euer Liebhaber weinend zu Euch kommen und Euch um Gnade und Mitleid anflehen wird. Und wisset, daß er von da ab Euch nie mehr um einer ändern willen verlassen wird.«
    Als die Dame dies hörte, vertraute sie so fest darauf, daß sie schon ihren Geliebten wieder in den Armen zu halten wähnte, und halb erheitert sprach sie: »Sorge nicht, ich will dies alles gar wohl vollbringen, denn ich habe die beste Gelegenheit dazu. Ich besitze ein Gut gegen das obere Arnotal hin, das ganz nahe am Ufer des Flusses liegt. Auch ist es jetzt Juli, und das Baden wird mir ein Vergnügen sein. Überdies erinnere ich mich, daß sich nicht weit vom Flusse ein kleiner Turm befindet, der völlig unbewohnt ist; und nur zuweilen steigt ein Hirt auf einer Leiter von Kastanienholz, die sich dort befindet, zum Söller hinauf, um sich von jenem einsamen und abgelegenen Orte aus nach seinem verirrten Vieh umzusehen. Dort will ich hinaufsteigen, und so gedenke ich auf die beste Art von der Welt das auszuführen, was Ihr mir auferlegt habt.«
    Der Gelehrte, der das Gut der Dame und den kleinen Turm hinlänglich kannte und zufrieden war, über ihren Entschluß unterrichtet zu sein, antwortete: »Madonna, ich war nie in jener Gegend, und so kenne ich weder Euer Gut noch den Turm. Jedoch, wenn es sich so verhält, wie Ihr sagt, so kann es sich ja nirgendwo auf der Welt besser treffen. Ich will Euch darum, sobald es an der Zeit sein wird, Bild und Beschwörung schicken. Zugleich aber bitte ich Euch angelegentlich, daß, wenn demnächst Euer Verlangen erfüllt ist und Ihr erkannt haben werdet, wie wohl ich Euch gedient habe, Ihr Euch auch meiner erinnert und nicht vergeßt, das mir gegebene Versprechen zu halten.«
     
    Das werde sie ohne jeden Zweifel tun, entgegnete ihm hierauf die Dame, nahm Abschied und kehrte nach Hause zurück.
    Froh, daß sein Plan in Erfüllung zu gehen versprach, ließ der Gelehrte nun das Bild mit seinen Zauberzeichen verfertigen, schrieb irgendeine Erfindung als Beschwörungsformel auf und schickte diese, als es ihm an der Zeit schien, der Witwe, indem er ihr zugleich sagen ließ, daß sie ohne Aufschub in der folgenden Nacht vollbringen möge, was er ihr gesagt habe. Dann aber begab er sich mit einem Diener heimlich zu dem Hause eines seiner Freunde, das nahe bei dem kleinen Turm lag, um hier sein Vorhaben zu Ende zu führen. Die Dame machte sich ihrerseits mit ihrer Dienerin ebenfalls auf den Weg und verfügte sich nach ihrem Gute.
    Als die Nacht gekommen war, tat sie, als wolle sie zu Bett gehen und schickte die Dienerin schlafen. Allein zur Stunde des ersten Schlafs schlich sie sich heimlich aus dem Hause und schritt zum Ufer des Arno, nahe bei dem kleinen Turm. Hier blickte sie sich erst nach allen Seiten um, und da sie niemand sah oder hörte, entkleidete sie sich, verbarg ihre Kleider unter einem Strauch, badete sich siebenmal mit dem Bilde und begab sich dann nackend und mit dem Bilde in der Hand zum Turme. Der Gelehrte, der bei Anbruch der Nacht sich mit seinem Diener unter Weiden und anderen Bäumen in der Nähe des Turmes versteckt und von hier aus dies alles mit angesehen hatte, fühlte etwas Mitleid, als sie so nackend hart an seiner Seite vorüberging und er sah, wie die Dunkelheit der Nacht durch die Weiße ihres Leibes besiegt ward; noch mehr aber, als er ihren Busen und die ändern Teile ihres Körpers beschaute, sie durchaus schön fand und bei sich dachte, was binnen kurzer Zeit aus all dem würde. Auch überfiel ihn plötzlich der Stachel des Fleisches und hieß ihn, indem er einen Schlafenden zur Auferstehung weckte, aus seinem Versteck hervorbrechen und seine Lust an ihr kühlen; und wenig fehlte, so hätte er sich von seinen Gefühlen besiegen lassen. Als ihm aber wieder einfiel, wer er selbst war und von welcher Art die Schmach gewesen, die er empfangen, und warum und von wem, entflammte von neuem sein Zorn, so daß Mitleid und Lust

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