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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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gehen. Dort wollen wir von dem kleinen Fenster aus mit ansehen, was der treibt, der dich eifersüchtig gemacht hat, und hören, was er der Magd antworten wird, die ich zu ihm geschickt habe, um mit ihm zu reden.«
    Nun gingen sie zu einem Fensterlein, von welchem aus sie herabsehen konnten, ohne gesehen zu werden, und hörten die Magd von einem ändern Fenster her mit dem Gelehrten sprechen: »Rinieri, die Madonna ist betrübter, als je eine Frau war; denn eben heute abend ist einer ihrer Brüder eingetroffen, hat sich lange mit ihr unterhalten und verlangte dann mit ihr zu speisen, und noch immer ist er nicht fort. Allein ich glaube, er wird nun bald gehen. Aus diesem Grunde hat sie noch nicht zu Euch kommen können. Sie bittet Euch, daß es Euch nicht leid tun möge zu warten.« Der Gelehrte, der dies alles für wahr hielt, erwiderte: »Sage meiner Dame, sie solle sich um mich keinen Kummer machen, bis sie mit aller Bequemlichkeit zu mir herabkommen könne; allein sie möge es tun, sobald sie irgend kann.«
    Nun kehrte die Magd zurück und legte sich zur Ruhe. Die Witwe aber sprach zu ihrem Liebhaber: »Nun, was meinst du jetzt? Glaubst du, wenn ich ihn liebte, wie du fürchtest, ich ließe ihn dort unten frieren?« Nach diesen Worten begab sie sich mit ihrem Buhlen, der schon zum Teil beruhigt war, ins Bett, und sie verbrachten in Freude und Fröhlichkeit eine geraume Zeit, während sie des armen Gelehrten lachten und seiner spotteten.
    Dieser schritt indes im Hofe auf und ab und bewegte sich heftig, um sich zu erwärmen, da er keinen Fleck hatte, wo er sitzen oder der Nachtluft entfliehen konnte. Dabei verwünschte er den Bruder, der so lange bei seiner Dame verweilte, und hielt jedes Geräusch, das er vernahm, für eine Tür, welche die Witwe für ihn öffnete. Aber sein Hoffen war immer vergeblich.
    Nachdem die Dame sich bis gegen Mitternacht mit ihrem Geliebten erfreut hatte, fragte sie ihn: »Was dünkt dich, geliebte Seele, von unserem Gelehrten?
     
    Kommt dir sein Verstand größer vor oder die Liebe, die ich für ihn fühle? Und wird dir der Frost, den ich ihn erproben lasse, die Eifersucht aus der Brust verbannen, welche meine Scherzworte neulich darin erweckten?« »Herz meines Leibes«, antwortete der Liebhaber, »ja, ich sehe nun ein, daß, wie du mein größter Schatz, meine Ruhe, mein Entzücken und meine ganze Hoffnung bist, ich auch für dich dasselbe bin.« »Nun denn«, antwortete die Dame »so küsse mich wohl tausendmal, damit ich erfahre, ob du die Wahrheit sprichst.« Der Liebhaber schloß sie fest in seine Arme und gab ihr nicht tausend, sondern mehr als hunderttausend Küsse.
    Nachdem sie in solchem Gespräch noch einige Zeit verbracht hatten, sagte die Dame: »Jetzt laß uns ein wenig aufstehen und zusehen, ob das Feuer, in dem zu brennen mein neuer Verehrer mir alle Tage schriftlich beteuerte, etwas erloschen ist.« So erhoben sie sich, gingen zu dem gewohnten Fenster, von wo sie auf den Hof hinabschauten und den armen Gelehrten zur Musik seiner klappernden Zähne einen Hopser über den ändern auf dem Schnee tanzen sahen, und zwar in so geschwindem Zeitmaß und in so schneller Folge, daß sie noch nie dergleichen gesehen hatten. »Nun«, sprach die Dame, »was sagst du dazu, meine süße Hoffnung? Glaubst du jetzt, daß ich mich darauf verstehe, die Männer ohne Trompete und Schalmei tanzen zu machen?« Lächelnd antwortete ihr Liebhaber: »Ja, süße Lust, ich seh es wohl.«
    »Jetzt wollen wir bis zur Tür hinuntergehen«, sagte die Dame. »Du bleibst ruhig stehen, und ich werde mit ihm sprechen, damit wir hören, was er sagen wird; vielleicht gewährt uns das nicht weniger Vergnügen als sein Anblick.« Nun öffnete sie die Kammer. Still gingen sie zur Hoftür hinunter, und ohne sie zu öffnen, rief die Witwe ihn durch ein kleines, darin befindliches Loch mit leiser Stimme zu sich. Als der Gelehrte sich gerufen hörte, lobte er Gott, indem er nun gewiß eingelassen zu werden hoffte. Er trat daher an die Tür und antwortete: »Hier bin ich, Madonna. Öffnet um Gottes willen, denn ich sterbe vor Frost.« »Ach Gott«, antwortete ihm die Dame, »ich weiß ja, wie erstarrt du sein mußt. Die Kälte ist gewiß sehr groß, weil hier etwas Schnee gefallen ist, doch weiß ich wohl, daß in Paris viel mehr fällt. Noch kann ich dir nicht aufmachen, weil dieser mein verwünschter Bruder, der gestern abend hierherkam, um mit mir zu essen, noch immer nicht fort ist. Aber er wird nun bald gehen,

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