Das Dekameron
Innern und stellte sich verliebter denn je in seine Witwe.
Nun geschah es nach einiger Zeit, daß das Glück dem Gelehrten Gelegenheit bot, seinen Wunsch nach Rache zu befriedigen. Der junge Mann, den die Witwe geliebt hatte, verliebte sich, ohne im geringsten Rücksicht auf ihre Neigung zu nehmen, in eine andere; und wie er nun nichts mehr ihr zu Gefallen sagen oder tun wollte, begann sie sich in Tränen und Kummer zu verzehren. Ihre Magd aber, welche das größte Mitleid mit ihr fühlte und keinen ändern Weg sah, ihre Gebieterin vom Schmerz über den verlorenen Liebhaber zu befreien, verfiel, da sie den Gelehrten noch immer nach gewohnter Art durch die Straße gehen sah, auf den törichten Gedanken, daß der Geliebte ihrer Gebieterin durch irgendein Zaubermittel zur gewohnten Liebe zurückgerufen werden könne und der Gelehrte in solchen Dingen ein großer Meister sein müsse. Diesen Gedanken teilte sie ihrer Gebieterin mit, die unverständig genug war, nicht zu bedenken, daß der Gelehrte, wenn er sich auf Zauberei verstanden, diese wohl für sich selbst angewendet hätte. Sie ging daher auf die Reden der Dienerin ein und trug ihr sogleich auf, ihn auszuforschen, ob er es tun wolle, und ließ ihm für gewiß versprechen, daß sie als Lohn dafür alles tun werde, was ihm beliebe.
Die Magd richtete die Botschaft gut und sorgfältig aus. Als der Gelehrte sie hörte, sprach er voller Freude bei sich selbst: »Gott sei gelobt! Die Zeit ist gekommen, wo ich mit deiner Hilfe dieses schändliche Weib für die Beleidigung strafen kann, die sie mir zum Lohn für meine große Liebe zu ihr angetan hat.« Dann sprach er zur Magd: »Sage meiner Dame, sie solle sich darüber keine Sorge machen; denn wäre ihr Liebhaber auch in Indien, so will ich ihn doch zwingen, daß er zu ihr komme und sie für alles um Vergebung bitte, was er gegen ihr Gefallen getan hat. Den Weg aber, den sie dazu einzuschlagen hat, gedenke ich ihr selbst zu beschreiben, wann und wo es ihr genehm ist. Dies bestelle ihr und tröste sie in meinem Namen.«
Diese Antwort richtete die Magd aus, und es wurde verabredet, daß sie in Santa Lucia del Prato Zusammenkommen sollten. Als nun die Witwe und der Gelehrte hier allein miteinander sprachen, gedachte sie nicht, wie sie ihn fast dem Tode preisgegeben hatte, sondern eröffnete ihm alle ihre Angelegenheiten und alles, was sie wünschte, und beschwor ihn, ihr zu helfen.
»Madonna«, entgegnete ihr der Gelehrte, »es ist wahr, daß unter ändern Dingen, die ich in Paris erlernte, auch die Schwarze Kunst ist, und ich weiß von ihr in der Tat soviel, als sie zu lehren vermag. Weil sie aber Gott sehr zum Mißfallen gereicht, habe ich geschworen, sie nie weder für mich noch für andere zu üben. Doch ist in der Tat die Liebe, die ich für Euch empfinde, von solcher Gewalt, daß ich nicht weiß, wie ich Euch etwas abschlagen soll, was Ihr mir zu tun gebietet. Ich bin darum, selbst wenn ich deswegen dem Teufel verfallen sollte, bereit, es zu tun, weil Ihr es wollt. Doch ich mache Euch darauf aufmerksam, daß die Sache schwerer ist, als Ihr vielleicht glaubt, und besonders dann, wenn eine Frau einen Mann zu ihrer Liebe zurückführen will oder der Mann eine Frau. Dies kann nur durch die eigene Person dessen geschehen, um den es sich handelt. Ferner gehört dazu, daß, wer es unternimmt, starken Gemütes sei; denn es muß des Nachts an einsamen Orten und ohne jede Begleitung geschehen. Dies alles sind aber Dinge, von denen ich nicht weiß, ob und inwieweit Ihr entschlossen seid, sie zu unternehmen.« Hierauf antwortete die Dame, die mehr verliebt war als verständig: »Die Liebe treibt mich so, daß es nichts gibt, was ich nicht unternähme, um den wiederzuerlangen, der mich mit Unrecht verlassen hat. Gefällt es dir drum, so sage mir, in was ich so fest sein muß.«
Der Gelehrte, der, auf Rache sinnend, Arges im Schilde führte, sprach hierauf: »Madonna, ich habe Euch ein Bild aus Zinn zu machen, das denjenigen darstellt, den Ihr wiederzuerlangen wünscht. Wenn ich Euch dies geschickt haben werde, müßt Ihr kurz vor dem Neumond Euch mit jenem Bilde nackt und ganz allein in einem fließenden Wasser zur Zeit des ersten Schlafes siebenmal baden, dann, so nackt wie Ihr seid, auf einen Baum oder auf irgendein unbewohntes Haus hinaufsteigen und mit dem Bilde in der Hand gen Norden gewendet siebenmal gewisse Worte sprechen, die ich Euch geschrieben geben werde. Wenn Ihr diese gesagt habt, werden zwei Jungfrauen, so
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