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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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glauben, daß seine Gnade, was sich nun ereignete, zuließ, um das Mädchen nicht in niedrige Hände geraten zu lassen.
    Die Edelfrau, die Jeannette aufgenommen, hatte von ihrem Manne einen einzigen Sohn, den sie und sein Vater innig liebten, nicht allein, weil er ihr Sohn war, sondern auch um seiner Tugenden und Verdienste willen, denn er war wohlgesittet, tapfer, schön von Gestalt und von adeliger Gesinnung wie kein anderer. Er mochte etwa sechs Jahre älter sein als Jeannette, und ihre Schönheit und Anmut machten solchen Eindruck auf ihn, daß er sich aufs heftigste in sie verliebte und nur noch sie sah. Weil er aber glaubte, sie sei von geringer Herkunft, wagte er es nicht, sie von seinen Eltern zur Frau zu begehren, und aus Furcht vor Tadel verbarg er seine Liebe, so gut er nur konnte. Dieses Bestreben fachte jedoch seine Glut noch viel mehr an, als wenn er sie offenbart hätte, und so geschah es, daß er, von übermäßiger Leidenschaft verzehrt, in eine schwere Krankheit verfiel. Viele Ärzte wurden herbeigerufen, um ihn zu heilen; soviel sie aber auch alle Zeichen der Krankheit beobachteten, so vermochten sie doch nicht, den wahren Grund zu erkennen, und mußten ihn endlich insgesamt aufgeben. Die Betrübnis der Eltern des Jünglings war sehr groß, und oft baten sie ihn auf das liebevollste, ihnen die Ursache seines Übels zu entdecken. Er aber antwortete ihnen nur mit Seufzern oder erklärte, daß er sich innerlich aufzehre.
    Als nun eines Tages ein junger, aber tief in die Wissenschaft eingedrungener Arzt neben dem Kranken saß und dessen Arm da hielt, wo die Sachverständigen nach dem Pulse fühlen, geschah es, daß Jeannette, die den Kranken der Mutter zuliebe sorgfältig pflegte, ins Zimmer trat, um etwas für ihn zu besorgen. Sobald der Jüngling sie gewahrte, fühlte er, obgleich er kein Wort sprach und seine Miene nicht veränderte, in seinem Herzen die Glut der Liebe heftiger aufflammen, so daß der Puls stärker als zuvor zu schlagen begann. Der Arzt bemerkte das sogleich und wunderte sich darüber, doch schwieg er, um zu sehen, wie lange der schnellere Pulsschlag anhalten werde. Nun hatte Jeannette das Zimmer kaum wieder verlassen, als der Puls sich auch beruhigte. Der Arzt vermutete, der Krankheitsursache auf die Spur gekommen zu sein, und ließ nach einiger Zeit Jeannette unter dem Vorwand, daß er sie etwas zu fragen habe, wieder hereinrufen, wobei er den Arm des Kranken noch immer in der Hand hielt. Sie gehorchte sogleich, und kaum hatte sie das Zimmer betreten, als der Puls des Jünglings zunahm und ebenso nachließ, als sie wieder aus dem Zimmer ging. Jetzt glaubte der Arzt seiner Sache vollkommen gewiß zu sein. Er stand auf, nahm Vater und Mutter des Kranken beiseite und sagte zu ihnen: »Die Gesundheit eures Sohnes liegt nicht in den Händen der Ärzte, sondern in denen Jeannettes. Sichere Zeichen haben mich überzeugt, daß euer Sohn sie glühend liebt, obgleich sie, soviel ich gemerkt habe, nichts davon ahnt. Jetzt wißt ihr, was ihr zu tun habt, wenn sein Leben euch am Herzen liegt.«
    Der Edelmann und seine Gemahlin waren erfreut über diese Nachricht, weil nun doch wenigstens Aussicht auf Heilung bestand, so hart es sie auch ankam, das zu tun, was unvermeidlich schien, nämlich Jeannette ihrem Sohne zur Frau zu geben. So gingen sie dann, nachdem sie den Arzt entlassen hatten, zu dem Kranken, und die Mutter sagte: »Mein Sohn, ich hätte nie gedacht, daß du mir einen deiner Wünsche verhehltest, am wenigsten aber nun, wo dein unerfülltes Verlangen dich inwendig verzehrt. Du durftest und darfst sicher sein, daß ich, um dich zufriedenzustellen, alles tun würde, was ich vermag, genau so, wie ich's für mich selbst täte, selbst wenn es sich um etwas handelt, das den guten Sitten nicht ganz entspricht. Weil du aber dennoch nicht ganz offen gegen mich gewesen bist, hat Gott größeres Mitleid mit dir gehabt als du selbst. Damit diese Krankheit dir nicht tödlich werde, hat er mir die Ursache deines Übels entdeckt. Es besteht in nichts anderem, als daß du in übergroßer Liebe zu einem Mädchen entbrannt bist, dessen Namen ich jetzt nicht nennen will. Warum hast du dich aber gescheut, mir dies zu entdecken? Bringt es dein Alter nicht mit sich? Müßte ich nicht sogar eine geringe Meinung von dir hegen, wenn du nicht verliebt wärest? So fürchte dich denn nicht länger vor mir, mein Sohn, sondern entdecke mir offen alle deine Wünsche. Verscheuche den Trübsinn und die Bedenken, die

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