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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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meines Briefs.)
    Das Gotische scheint ein relativ unparteiisches Bezeichnungssystem (Überwiegen des Differentialgenus) besessen zu haben. Allerdings werden wir darüber wieder sehr androzentrisch informiert:

    Zu jedem schwachen Masculinum mit persönlicher Bedeutung, mögen sie von Substantiven oder Verben abgeleitet sein, kann ein entsprechendes Femininum gebildet werden; z.B. g. arbjó Erbin zu arbja, garaznó Nachbarin zu garazna; swaihro Schwiegermutter zu swaihra. (Wilmanns 1899: 217)

    Logischerweise kann dann auch »zu jedem schwachen Femininum ein entsprechendes Masculinum gebildet werden« — aber so lesen wir es nicht, natürlich.
    Garazno >Nachbarin< neben garazna >Nachbar< und hērra >Herrin< neben hērro >Herr< sind für Henzen (1947: 152) »deutlich movierte« Formen. Woran ihm das deutlich wurde, bleibt unerfindlich.
    Nach dem Einzelbeleg Saurini >Syrerin< zu Saur >Syrer< im Gotischen findet man die -in(na) -Form im Althochdeutschen sehr häufig, und sie hat sich bis heute immer mehr ausgebreitet (vgl. Henzen 1965: 153f.). Warum das so ist — darüber machen sich unsere männlichen Sprachhistoriker keine Gedanken; jedenfalls habe ich außer bei dem erstaunlichen Radikalfeministen Baudouin de Courtenay 19 nirgends auch nur den Anflug eines wissenschaftlichen Kopfschütteins über diese merkwürdig einseitige morphologische Geschlechtsspezifikation gefunden. Es scheint, daß sie männlicherseits als »selbstverständlich und natürlich« empfunden wird — obwohl ja das Gotische offenbar sehr gut ohne sie auskam. Im Laufe der Zeit begann die Bedeutung des -in sich aufzuspalten — ich würde eher sagen: -in begann sein wahres Gesicht zu zeigen, dasjenige, das sein Vorhandensein sprachlogisch erst rechtfertigt und das uns heute diese Form als extrem diskriminierend erkennen läßt. Hören wir dazu Weltmann (1975:107 und 117). Er unterscheidet nach semantischen Gesichtspunkten ein -in 11 von einem -in 12 . Das Motionsmorphem -in 11 »überführt Maskulina in Feminina und ergänzt den Basisinhalt um das Merkmal >weibliches Geschlecht<« (frei nach Wellmann). Eine ganz andere Funktion erfüllt das Suffix -in (bei Wellmann: -in 12 ) jedoch in Bildungen wie die Marschallin (Rosenkavalier), Luise Millerin , Agnes Bernauerin, die Höfrätin Berndt (Feuchtwanger), die Pastorin Höhlenrauch (Th. Mann). Hier bedeutet es nichts weiter als >Frau (oder Tochter) des X<; es symbolisiert die Zuordnung zu bzw. Abhängigkeit von einem Mann. Eine semantisch vergleichbare Funktion haben nur noch die Suffixe zur Bildung von Patronymika: Wälsung >Sohn des Wälse<, Friedrichsen >Sohn Friedrichs<. Diese Suffixe sind erwartungsgemäß aufgrund der Emanzipation der Söhne nicht mehr produktiv und überleben nur noch in Eigennamen. Analog müßte die Emanzipation der Frau also eigentlich zum Absterben des -in führen.
    Da das Suffix -in nur in der letztgenannten Bedeutung sprach-systematisch überhaupt einen Sinn ergibt, möchte ich hier kühn behaupten, daß diese angeblich später entstandene Funktion von Anfang an seine eigentliche war. All die so früh (Ahd.) belegten Gräfinnen, Königinnen, Kaiserinnen, Wirtinnen — was waren sie anderes als Frauen von Grafen, Königen, Kaisern, Wirten?! Von dieser ursprünglichen Bedeutung aus mag sich dann die andere entwickelt haben. Eine Fürstin, eigentlich nur »Frau des Fürsten«, mag bei Fortsein oder nach Ableben des Gatten auch einmal Fürstenfunktion gehabt haben; die »Frau Glaserin« Lichtenbergs 20 mag im Handwerksbetrieb ihres Mannes mitgearbeitet haben und fast so etwas wie ein »weiblicher Glaser« gewesen sein.
    Ich glaube, es lohnt sich, diese Hypothese an den Quellen, ohne männliche Vermittlung, zu überprüfen. War jene einzelne Saurini, Syrerin, nicht vielleicht ganz einfach die Frau eines Syrers? — Die ebenfalls gut belegten Bärinnen und Löwinnen etc. lassen sich mit dieser Hypothese natürlich nicht direkt erklären, wohl aber indirekt: das androzentrische Weltbild ordnet ja auch sonst das meiste nach eigenem Maßstab.

    Kuhreiher sind treue Vögel. Ähnlich wie Schwäne, treiben sie es lebenslänglich mit einer Partnerin. (PZ »Politische Zeitung« der Bundeszentrale für Politische Bildung, Nr. 33/1983, S. 15)

    Noch ein Nachtrag: Zwar haben unsere männlichen Kollegen das -in ohne weiter nachzufragen zu Protokoll genommen, aber es gibt doch Dinge, die auch ihnen Kopfzerbrechen bereiten. Ich denke, das folgende Zitat bildet einen würdigen Abschluß

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