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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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auf dem Grund, die Arme schwebten im Wasser und wurden leicht hin- und herbewegt. Panisch tauchte Lil-
li auf, weil sie keine Luft mehr hatte, tauchte sofort wieder unter und war bei Paul. Wilhelm folgte ihr, und zu zweit schleppten sie Paul ans Ufer; je seichter das Wasser wurde, desto schwerer wurde er, und atemlos schleiften sie ihn zur Decke. Dann ließen sie ihn hilflos fallen. Liese war aufgesprungen, stand aber nur untätig und mit offenem Mund daneben.
    »Das wollte ich nicht«, sagte sie schwach.
    Weder Wilhelm noch Lilli achteten auf sie. Wilhelm stieß Paul immer wieder an und rief:
    »Paul! Paul! Wach auf! O Gott, Paul!«
    Lillis Gehirn war wie gefroren. Paul durfte nicht tot sein. Angst überschwemmte jeden Gedanken. Immer noch schrie Wilhelm auf Paul ein. Da fiel Lilli ein, was sie in Kinderpflege gelernt hatten, und sie fiel neben Paul auf die Knie, warf sich mit ihrem ganzen Gewicht auf seine Brust und bewegte dann die Arme über seinen Kopf und zurück, einmal, zweimal, dreimal. Noch einmal warf sie sich mit beiden Händen vor sich auf seine Brust, und da kam ein Schwall Wasser aus seinem Mund, und Paul drehte sich, erbrach und holte qualvoll pfeifend, immer wieder hustend, Luft. Lilli wurde schwach vor Erleichterung. Wilhelm hatte sich neben Paul gesetzt und klopfte ihm auf den Rücken, bis er endlich wieder normal atmete.
    »Das war knapp«, sagte er ein paarmal. Liese Scharnow, nachdem sie gesehen hatte, dass alles gut abgegangen war, fand sich nicht genügend beachtet.
    »Wilhelm hat gewonnen«, sagte sie, als ob gar nichts passiert wäre, »wenn man ohnmächtig wird, zählt es nicht.«
    Wilhelm und Lilli wechselten einen schnellen Geschwisterblick.
    »Paul hat gewonnen«, sagte Wilhelm kühl, »er war länger unten.«
    »Ich finde, du«, sagte Liese schnippisch, und dann redeten sie nicht mehr darüber, so, als wollten sie dem Ganzen den tiefen Schrecken nehmen, der ihnen allen in den Gliedern saß. Sie gingen später noch einmal ins Wasser, aber keiner schwamm weit vom Ufer weg, und als die Schatten lang wurden und der erste kühle Abendwind kam, packten sie ein. Auf dem Rückweg saß Liese nicht auf Pauls Lenkstange, sondern Wilhelm nahm sie mit, aber noch während sie durch den Kiefernwald fuhren, warf Paul Lilli ein- oder zweimal sehr lange Blicke zu, und Wilhelm, der sonst immer vorne fuhr, ließ sich zurückfallen, bis er neben ihr war, und sah trotz Liese auf der Lenkstange einmal kurz zu ihr hinüber, und dann war es eben nicht Paul, sondern völlig überraschend er, der kurz, aber vernehmlich »Danke!« sagte. Nicht mehr als das, und von da an scherzte er auch wieder mit Liese und tat so, als ob er sie herunterfallen ließe, woraufhin sie sich kreischend an ihm festklammerte, aber trotzdem war Lilli am Abend dieses letzten Ferientages so glücklich, als hätte Paul heute ihre Hand gehalten und nicht die Liese Scharnows.

27
    Schambacher ging äußerst schlecht gelaunt im Büro hin und her. Bis jetzt war der ganze Tag ein einziger Fehlschlag gewesen. Er war vollkommen übernächtigt, hatte nicht einmal ansatzweise Lust, heute Abend nach Hause zu kommen, wo er seiner Frau würde erklären müssen, wieso er unangekündigt Nachtdienst gehabt hatte, sie hatten van der Laan nicht angetroffen, seine Haushälterin hatte nicht gewusst, wann er zurückkam, und schließlich hatte Gennat sie noch angeblafft, wieso sie mit dem Fall nicht endlich zum Abschluss kamen. Außerdem musste er die ganze Zeit an Lilli Kornfeld denken, und das war gar nicht gut. Draußen regnete es, und innen war es überheizt, das Geklapper der Schreibmaschinen ging ihm auf die Nerven, und er hatte zu viel Kaffee getrunken.
    Er rief bei der Bereitschaft an und bat, einen Schupo vor van der Laans Haus abzustellen, aber da unten konnte man ihm nichts versprechen, weil im Augenblick alle mit dem Mädchenmörder befasst waren. Schambacher legte resigniert auf. Was war denn nun mit Gennats Theorie, dass jedem Mörder der Zufall wie ein Hund folgte? Hatte sich der Hund Zufall mit dem Smaragdanhänger schon verausgabt? Schambacher setzte sich verärgert hin. Er war übernervös und merkte es. Er versuchte, ruhig und klar zu denken. Sie wussten doch, wer es war. Sie hatten bloß kein Motiv. Wenn sie van der Laan erst befragten, würden sie schon sehen. Er stand wieder auf, ging zum Rollschrank und holte die Spannmappen mit den Unterlagen zu dem Fall. Da waren die Photos. Da war der Zeitungsartikel. Die Vernehmungsprotokolle. Ihre

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