Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
Vom Netzwerk:
das bedeutete. Seine ganze Kronachertheorie ging gerade zum Teufel.
    »Woher weißt du das?«, fragte er.
    »Ich …«, begann Lilli, aber dann unterbrach sie sich selbst. »Ich erzähle es dir später. Paul trifft sich mit von Schubert um sieben Uhr. In der Matthiaskirche in Schöneberg.«
    »Wo ist die?«, fragte Schambacher, der sich eben zu erinnern versuchte, wo in Schöneberg eine Kirche stand. Er war kein Kirchgänger.
    »An der Hohenstaufenstraße«, sagte Lilli, »gleich beim Winterfeldtplatz. Ernst«, sagte sie dann mit schwankender Stimme, »ich wollte ihn nicht verraten … ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich sollte für ihn die Diamanten holen und ich … ich habe sie nicht.«
    Schambacher verstand nicht alles, was Lilli sagte. Sie schien sehr durcheinander zu sein. Er sah auf die Uhr und überschlug kurz die Strecke bis in die Hohenstaufenstraße.
    »Wo bist du jetzt?«, fragte er dann nervös. »Soll ich dich abholen lassen?«
    »Nein«, sagte Lilli, und Schambacher hatte das Gefühl, dass sie sich zusammenriss, »nein. Ich komme zur Kirche. Ich muss noch einmal mit ihm reden.«
    »Lass das bleiben!«, sagte Schambacher scharf, aber Lilli hatte schon aufgelegt. Er überlegte, was er tun sollte. Wenn er mit dem Überfallkommando ausrückte, würde van der Laan verschwinden. Togotzes war noch immer nicht da, und es war eine feste Regel, dass keiner allein zu Festnahmen ging. Gott! Schambacher warf wütend die Arme in die Luft. Er musste los, wenn er es pünktlich zum Treffpunkt schaffen wollte. Dann blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als zwei Schupos von der Bereitschaft mitzunehmen. Er griff nach Mantel und Hut und nahm die Pistole aus der Schublade. Auch wenn van der Laan nicht so aussah – man konnte nie wissen. Auf dem Weg nach unten schüttelte er noch einmal den Kopf über sich. Kronacher – Kornacker. Was für ein Unsinn. Es war dann doch meistens so, wie es sich am Anfang zeigte.
    Im Parterre stürmte er in die Bereitschaftsstube und fragte nach Freiwilligen. Zögernd erhoben sich zwei Polizisten, die beide ein ganzes Stück älter als Schambacher waren.
    »Worum jeht et denn?«, fragte einer der beiden.
    »Na, der Spartakusaufstand wird es nicht«, antwortete Schambacher spöttisch, »schaffen Sie beide eine Verhaftung in einem Mordfall?«
    »Ick hatte jerade so’n schönen Grang!«, sagte der andere, die Karten in der Hand. »Auf vierunfuffzich jereizt. En jarantierta Jewinn.«
    »Ja«, sagte Schambacher nervös, »dann nehmen Sie das Blatt doch einfach mit und spielen Sie ihn nachher fertig. Können wir?«
    Der Mann grinste und sagte:
    »Na, det machen wa doch jlatt, wa?«, und steckte die Karten in seine Hosentasche. Dann warfen sich die beiden Polizisten ihre Mäntel über und folgten ihm in den Hof. Das Auto war eiskalt, die Scheiben beschlugen in dem Augenblick, als sie eingestiegen waren, und dann fuhren sie los. Wieder sah Schambacher auf die Uhr. Sie würden es nicht pünktlich schaffen. Als sie den Potsdamer Platz passierten, gab es einen Gongschlag, und die Ampel sprang auf Rot um. Der Polizist wollte bremsen.
    »Fahr doch zu!«, rief Schambacher ungehalten.
    »Nu wat!«, antwortete der Fahrer, ohne den Fuß von der Bremse zu nehmen. »Wenn nicht mal wir Polizisten uns da dran halten! Det Publikum hasst die Dinger doch sowieso!«
    »Gott«, sagte Schambacher wütend, »alles zu seiner Zeit. Mach hinne!«
    Der Polizist gab widerwillig Gas.

30
    Nachdem es seit gestern ununterbrochen geregnet hatte, war es jetzt am Abend schon fast winterlich geworden. Über den Gaslaternen an der Hohenstaufenstraße dampfte es weißlich durch den Regen. Auf dem Trottoir lag schwarz und nass das Laub der kahlen Linden und Kastanien entlang der Allee. Ein paar Menschen eilten nach Hause, die Jacken über der Brust zusammengehalten oder unter triefenden Regenschirmen. Alle sahen sie aus, als frören sie genauso wie sie. Lilli war elend und kalt bis ins Mark. Sie war fast die ganze Strecke von Zehlendorf gelaufen, nur am Schluss hatte sie die U-Bahn genommen, um noch rechtzeitig da zu sein. Sie war vollkommen durchnässt, aber das war ihr noch nicht genug. Sie hätte gerne die Kraft gehabt, sich zu verletzen oder sich mehr zu quälen. Sie hatte das Gefühl, sie müsste Buße tun. Als hätte sie eine große Sünde begangen.
    In einer Kirche, dachte sie bitter, wie passend. Es war nicht so sehr Wilhelm, dachte sie. Obwohl er so grauenvoll entstellt war, war es doch auch irgendwie ein Wunder

Weitere Kostenlose Bücher