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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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Buddha nie mehr verdient hatte als in diesem Augenblick.
    In den Gängen des Präsidiums war es heute vergleichsweise ruhig. Ein paar Bürotüren standen offen, und man hörte die Vorzimmerfräuleins telephonieren – nicht alles klang dienstlich, aber es war Sonnabendvormittag und Schambacher lächelte flüchtig, als er im Vorbeigehen an Trettins Zimmer vernahm, wie das Fräulein Wernecke eine Verabredung traf. Die Sekretärinnen Otto Trettins hatten es wahrhaftig nicht leicht. Wenn Trettin Verdächtige vernahm, verhörte er seine Sekretärinnen meistens gleich mit, und leise tat er das nicht. Sein wütendes Geschrei drang manchmal noch in den ersten Stock. Schambacher war bei seinem und Togotzes’ Zimmer angekommen und öffnete die Tür. Elly Damaschke sah auf. Sie tippte eben das Protokoll ab.
    »Kinder«, sagte sie streng und wies auf Togotzes’ Notizbuch, »wer soll das lesen können? Habt ihr beide beim Schreiben gebadet? Die Tinte ist völlig verlaufen!«
    »Ach, Elly«, sagte Schambacher freundlich, »diese Mörder nehmen so gar keine Rücksicht auf das Wetter. Wir standen im strömenden Regen … vielleicht wollten sie uns so gleich mit umbringen. Wieder zwei Kriminalkommissare durch Katarrh getötet!«, proklamierte er in komischem Pathos. »Wer ist der unbekannte Grippemörder?«
    Elly lachte.
    »Ihr seid zwei komische Vögel«, sagte sie dann, schon erweicht, und tippte lächelnd weiter. Schambacher nahm Mantel und Hut von der Garderobe.
    »Fertig mit meinem Notizbuch?«, fragte er seine Sekretärin und hatte schon die Hand darauf.
    »Fertig«, seufzte sie und reichte es ihm, »kommen Sie noch mal zurück?«
    »Nee«, sagte Schambacher, »heute nicht mehr. Und wenn Sie fertig sind, dürfen Sie auch gehen, Elly-Kind. Togotzes kommt nicht vor fünf, und Sie haben heute sicher noch was vor.«
    Er zwinkerte ihr zu. Elly Damaschke, die sicher eine der hübschesten Sekretärinnen im Alex war, winkte ab.
    »Schlechter Mensch!«, schimpfte sie halb geschmeichelt, halb verlegen. »Raus mit Ihnen!«
    Schambacher schloss die Tür und eilte durch die langen Gänge des Präsidiums nach unten. Er konnte am besten überlegen, wenn er spazieren ging. In der Halle grüßte er die wachhabenden Polizisten und stieß das große Tor auf. Es nieselte ein wenig, und er schlug den Mantelkragen hoch. Er ging am Funkmast vorbei quer über den Alexanderplatz zum Kaufhaus Tietz. Vom Bahnhof klang das Klirren und Stampfen der Züge herüber. Die Tram klingelte und schleifte in den Bögen um den Platz. Die Chauffeure der Autobusse hupten, und die Polizisten auf den Kreuzungen mit ihren weißen Mützen sahen aus, als hätte man sie auf der nassen Straße vergessen. Die Großstadt rauschte viel lauter als der Herbstregen, und Schambacher fühlte, wie ihn diese unsagbare Traurigkeit anwehte, die manchmal plötzlich da war, ohne dass man wusste, woher sie kam. Er versuchte, sich zusammenzureißen und an den Fall zu denken, während er bei Hertie die Rolltreppen zur Feinkostabteilung nahm. Eigentlich mochte er diesen Moment bei seiner Arbeit am meisten. Wenn alles noch offen war und man in alle Richtungen denken konnte. Es gab nichts anderes als ein Rätsel, um das man von allen Seiten neugierig herumging wie eine Katze, bevor die Jagd begann. Man konnte die Phantasie spielen lassen und sich alles Mögliche vorstellen. Ein toter Schwarzer im Regen. Ein Diamant. Mehr hatte er nicht, und das ließ sich zu vielen Bildern zusammensetzen. Waren die Ringvereine in die Sache verwickelt? Aber die hatten ja normalerweise mit Morden nichts zu tun. Was nichts heißen musste – er erinnerte sich an Matrosen-Willi. Der hatte im ersten Ringvereinsprozess vor vier Jahren die Schnauze nicht halten können. Ein Jahr später hatten sie ihn dann in der Plötze vergiftet in der Zelle gefunden. Das könnte erklären, warum die Mörder des Schwarzen den Diamanten nicht mitgenommen hatten. In den Ringvereinen wurde Verrat mit dem Tod bestraft, aber nicht mit Raub. Sie statuierten damit ein Exempel. Ein bisschen wie die Sizilianer, von denen er im Studium gehört hatte. Andererseits hatte Schambacher noch nie von einem Schwarzen in irgendeinem Ringverein gehört, und das hätte sich mit Sicherheit längst herumgesprochen.
    ›Was wissen Sie über Diamanten?‹ Die Frage des Buddha klang in ihm nach, während er sich an der Fischtheke zerstreut ein paar Rollmöpse einpacken ließ.
    »Gar nichts!«, sagte er halblaut zu sich selbst, aber die Verkäuferin, eine

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