Das Diamantenmädchen (German Edition)
sobald sie auf der Straße waren, sagte er lachend:
»Idiot!«
Togotzes gab sich beleidigt und wies mit dem Daumen über die Schulter auf die Dame.
»Das hat sie natürlich wieder nicht gehört!«
Gennat hatte eingeführt, dass für jeden Mordfall zwei Ermittler zusammengespannt wurden. »Mordehe« nannte man das auf dem Alex. Normalerweise wurde sie für jeden Fall neu geschlossen. Sechs oder acht Wochen arbeitete man dann zusammen. Togotzes’ und Schambachers Mordehe dagegen dauerte nun schon drei Jahre, und bisher war keine fruchtbarer gewesen.
7
Seit Lilli sich mit von Schubert getroffen hatte, schien es so, als begegnete ihr auf einmal überall das Thema Diamanten. Einen Tag, nachdem sie Paul besucht hatte, kam ihr Chef in der Redaktion auf sie zu und fragte:
»Sagen Sie, Kornfeld, wir müssen mal wieder so ein Ding für die moderne Dame machen; Sie wissen schon, wie damals die Schalek über ihre Reise nach Sumatra. Mit Photos und allem Drum und Dran. So ein Stück Wissenschaft, aber nich zu ville, und denn auch noch ein Thema, das alle interessiert. Fällt Ihnen da nichts ein?«
Lilli wollte zuerst antworten, dass sie ja schließlich keine Reisen bezahlt bekam wie Alice Schalek, die außerdem hauptsächlich für Wiener Blätter arbeitete. Aber dann sagte sie einfach auf gut Glück, was ihr eben einfiel:
»Diamanten. Kann ich nicht etwas über Diamanten machen? So etwas wie: Wo sind die Kronen der gestürzten Königshäuser?«
Der Chef hatte einen Augenblick gestutzt, aber dann gelächelt.
»Großartig. Ganz großartig. Sehen Sie, deshalb lasse ich Sie hier arbeiten, Kornfeld. Weil Ihnen immer etwas einfällt. Sie haben doch auch an Südafrika gedacht, oder? Die neuen Diamantenfelder! Das war doch erst vor sechs Wochen, oder?«
Na ja. Es war vor zehn Wochen gewesen. In Südafrika hatte man die größten Diamantenvorkommen entdeckt, die man bisher kannte. Erst war es nur eine Meldung im ›Vermischten‹ gewesen. Aber seitdem waren fünfzigtausend Abenteurer aus aller Welt nach Südafrika gereist. Ob sich das einbauen ließ? Sie hatte schon ein paar Ideen. Südafrika für die Exotik, die untergegangenen Königsschätze für die Sentimentalität und die Diamanten selbst für den Luxus. Das konnte sehr hübsch werden.
»Ich überlege mir da mal was, Chef«, hatte sie gesagt. Und dann hatte sie sich in Berlin auf die Suche nach Diamanten gemacht. Bei Juwelieren und Banken, in Museen und in Pfandleihhäusern, in Antiquitätengeschäften und bei den großen Modehäusern. Sie hatte fast eine Stunde mit einem sehr freundlichen Herrn bei der Diamantenbörse in Antwerpen telephoniert und schließlich sogar einmal mit dem Korrespondenten in Südafrika.
Die Redaktion war eigentlich so lärmerfüllt, dass man nicht in Ruhe arbeiten konnte. Ullstein hatte deswegen eigens kleine Kabinen eingerichtet, in denen man telephonieren konnte, aber die waren begehrt und ununterbrochen besetzt. Es gab zwar eine Liste, in die man sich eintragen sollte, aber kein Mensch kümmerte sich um sie. Der Lärm der klappernden Schreibmaschinen war ungeheuerlich; vor allem, wenn gegen Mitte der Woche alles auf den Redaktionsschluss zulief. Im Grunde handelte es sich ja fast um Säle, in denen die verschiedenen Zeitungen gemacht wurden, und selbstredend hatten die Tageszeitungen wie die BZ und die Vossische die größten Räume in dem nagelneuen, hochmodernen Haus in Tempelhof. Lilli hatte das Verlagshaus an der Friedrichstraße mit seinen hohen Bogenfenstern mehr gemocht, aber natürlich war das neue Gebäude mit allen Schikanen und allem Komfort der Neuzeit ausgestattet. Den Wert vernünftiger Damentoiletten, dachte Lilli ironisch, als sie aus den Waschräumen kam, konnte man gar nicht hoch genug ansetzen. Sie stieg im vierten Stock aus dem Paternoster und machte sich auf den Weg in ihre eigene Redaktion. Die Berliner Illustrirte arbeitete in einem kleineren Raum als die Tageszeitungen, aber trotzdem war es hier nicht so verraucht wie in den riesigen Hallen der anderen Redaktionen. Wenn es abends ein wenig stiller wurde, dann hörte man das schwere Rollen und Stampfen der Druckmaschinen in den unteren Stockwerken, die das ganze Haus gleichmäßig zum Beben brachten, was tagsüber gar nicht auffiel. In der Dame war es nicht ganz so brodelnd hektisch wie in den anderen Redaktionen. Man merkte doch, es war ein Wochenblatt. Aber beschaulich ging es darum doch nicht zu: Überall hingen Photos an den hölzernen Staffeleien, an den
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