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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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den Regen und ab und zu ein Auto, das unten die Straße entlangzischte.
    »Eines Tages«, fuhr Lilli fort, »am 14. April 1908, kam Lewala, der schwarze Diener Stauchs, zu ihm, als sie eben die Gleise freischaufelten. ›Moy klip‹, sagte er zu ihm, als er seine Schaufel hob, mit der sie vorher Asphalt geschaufelt hatten und an der jetzt ein Stein klebte. Schöner Stein, heißt das wohl. Stauch nahm den Stein von der Schaufel und schaute ihn an und wusste sofort: Das ist ein Diamant.«
    »Oh«, sagte Schambacher, der wohlig schläfrig geworden war. Er war jetzt wieder wach.
    »Ja«, sagte Lilli leise ironisch, »oh. Stauch hatte einen Freund, der arbeitete in Lüderitz als Bergwerksingenieur. Dem hat er den Stein gezeigt, und dann haben sie einen Plan gemacht und sich geschworen, niemandem etwas zu sagen.«
    »Und sein Freund hat ihn betrogen, nehme ich an«, sagte Schambacher, aber Lilli schüttelte sofort den Kopf, fast trotzig.
    »Nein«, sagte sie, »sie haben zusammengehalten bis zum Schluss. Stauch hat gekündigt, aber erst, nachdem sie beim kaiserlichen Bergbauamt zwanzigtausend Hektar Wüste gekauft hatten. Und dann haben sie nach Diamanten gesucht.«
    Schambacher hatte sich auf den Bauch gedreht und das Kinn in die Hände gestützt. Lillis Brüste schimmerten in der Dunkelheit leicht, man ahnte es mehr, als man es sah.
    »Sie haben nicht mal Schaufeln gebraucht«, erzählte Lilli weiter, »es war wie in Tausendundeiner Nacht. Mit Einweckgläsern haben sie die Diamanten aus dem Sand gesammelt. Nachts, wenn der Wind vom Atlantik kam, blies er den Sand fort, und morgens hat man sie dann aufgesammelt. Einmal hat Stauch unter einem Baum gesessen und im Sitzen zwanzig Diamanten um sich herum gefunden. Ja, und dann kamen die anderen.«
    »Deutsche?«, fragte Schambacher.
    »Deutsche«, sagte Lilli. »Sie haben eine Stadt gebaut. Kolmannskuppe nannten sie sie, weil da mal ein Engländer namens Coleman verdurstet ist. Und es ist eine Stadt geworden wie im Märchen.«
    Schambacher war nicht überrascht, dass der Ort Kolmannskuppe hieß. Irgendwie musste es wohl so sein. Alles passte ineinander. Lilli schwieg wieder. Schambacher spürte, dass sie ihren Rücken gegen seine Hand drückte. Da war sie wieder, diese Spannung zwischen ihnen. Lilli fühlte seine Hand warm und fest auf ihrem Rücken. Leise erzählte sie weiter.
    »Wie in Tausendundeiner Nacht«, wiederholte sie, »nur in Wirklichkeit. Es ist die reichste Stadt Afrikas geworden. In einem Jahr. Die haben deutsche Villen gebaut, eine deutsche Eisenbahn, Swimming Pools in jedem Garten. Mitten in der Wüste. Kindergärten und Krankenhäuser. Jeden Tag hat es Champagner gegeben, und die Arbeiter hatten vierzehn Tage Urlaub im Jahr! Vierzehn Tage – das hat es damals nicht mal im Reich gegeben. Das größte Elektrizitätswerk in Afrika haben die Deutschen mit den Diamanten gebaut. Das erste Röntgengerät in Afrika haben sie angeschafft und …« Lilli machte eine Kunstpause, die immer länger dauerte.
    »Und was?«, fragte Schambacher schließlich, und Lilli antwortete mit sorgfältigem Ernst:
    »Und vor allem haben sie den Kegelclub ›Gut Holz‹ gegründet.«
    Schambacher und Lilli sahen sich einen Augenblick an, dann war kein Halten mehr. Sie mussten lachen, so lachen, dass das Bett schütterte.
    »Einen Kegelclub!«, ächzte Schambacher noch immer kichernd. »O mein Gott. Wir Deutschen!«
    Auch Lilli lachte noch. Es hatte etwas wunderbar Befreiendes, so zu lachen.
    »Ja«, sagte sie, »einen Kegelclub. Und dann haben sie aufgehört, mit Geld zu zahlen. Sie haben nur noch mit Rohdiamanten bezahlt. In der Bar. Beim Kaufmann. Im Bordell in Lüderitz.«
    Schambacher fühlte eine kleine Erregung, als Lilli so selbstverständlich vom Bordell sprach.
    »Alle hatten sie eine Taschenwaage dabei, weil man nur noch nach Karat bezahlt hat.«
    Schambacher strich Lilli über die Brüste und den festen, flachen Bauch. Sie legte ihre Hand auf seine und hielt sie fest.
    »Hör das Ende noch«, sagte sie, nun wieder leise. Die Stille kehrte zurück.
    »Stauch ist heute einer der reichsten Männer Südafrikas. Obwohl Kolmannskuppe längst den Südafrikanern gehört. Manchmal werden Märchen eben doch wahr.«
    Schambacher dachte nach. Dann sagte er ebenso leise:
    »M’banga hat in Kolmannskuppe gearbeitet. Der Schwarze mit den Diamanten. Dein Märchen hat hier kein schönes Ende gehabt.«
    Lilli drehte sich kurz von ihm weg, und er dachte schon, er hätte etwas falsch gemacht,

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