Das Diamantenmädchen (German Edition)
aber sie beugte sich nur aus dem Bett, um eine andere Platte aus der Hülle zu nehmen und sie aufs Grammophon zu legen, doch es war abgelaufen, und sie stand auf, um es anzukurbeln. Nackt stand sie, leicht vornübergebeugt – ein wunderbares Bild – und Schambacher fühlte eine seltsame Woge in sich aufsteigen, halb Lust, halb der Wunsch, diese Frau beschützen zu wollen.
»Komm ins Bett«, sagte er rau.
Und mit den ersten schwebenden Tönen eines fremden, wilden Liedes kam sie wieder zu ihm.
Morgen, dachten beide, morgen ist weit.
24
»Du siehst aus!«
Togotzes zog nach einem Seitenblick auf Schambacher spöttisch die Braue über dem Monokel nach oben.
»Hättest dich wenigstens rasieren können, wo wir doch heute bei Ministers sind.«
»Staatssekretär«, murmelte Schambacher, »er ist nur Staatssekretär.«
Sie fuhren durch das morgendliche Berlin zum Außenministerium. Schambacher sah aus dem Fenster in den kalten, verregneten Morgen, als sie an Richard’s Bar vorbeifuhren und dann nach links abbogen. Es war acht Uhr. Vor zwölf Stunden erst war er hier mit Lilli aus der Bar gekommen. Es erschien ihm länger. Er befand sich in einer sehr eigentümlichen Stimmung. Da war einerseits das Hochgefühl nach einer durchliebten Nacht, das prickelnde Gefühl des Verbotenen und Geheimen, das ihn immer noch erfüllte, die Überlegenheit, die daher rührte, dass man sich über die bürgerlichen Regeln der anderen erhob. Die Bilder der Nacht schoben sich immer wieder lockend vor die graue Wirklichkeit. Aber dann waren da auch das schwebende Gefühl der Übermüdung und natürlich das Gefühl einer aufziehenden Gefahr. Er hatte mit einer Zeugin geschlafen. Er war angreifbar geworden.
»Warst du eigentlich zu Hause?«, fragte Togotzes neugierig.
»Was dich nichts angeht, Herr Schutzmann«, antwortete Schambacher schnoddrig, setzte aber hinzu: »Nein. Bisschen viel getrunken.«
Togotzes warf ihm einen weiteren prüfenden Seitenblick zu, während er den Wagen an den Rand der Straße steuerte. Es war nicht klar, ob er ihm glaubte, aber um Togotzes machte sich Schambacher auch keine Sorgen.
»Was tun wir eigentlich hier?«, fragte er Togotzes, als sie ausstiegen. »Wir wissen doch, wie M’banga hergekommen ist, oder? Wir sollten eigentlich bei van der Laan sein und ihn noch mal verhören. So lange, bis er es endlich zugibt. Er war es doch, oder was denkst du?«
Togotzes war auch ausgestiegen und wich einem Fahrradboten aus, der ihn mit seiner schweren, schwarzen Ledertasche fast gestreift hätte.
»Hohehe!«, rief er ihm nach, aber der Bote schrie ihm von der Höhe seines Fahrrads in schwerem Sächsisch nur zu, dass er die Augen aufsperren sollte, wenn er auf die Straße ging.
»Ja«, antwortete Togotzes, während er leicht tadelnd den Kopf über den Radfahrer schüttelte, »ich glaube auch, dass es van der Laan war. Aber ich will wissen, warum. Und ich will wissen, wo M’banga seinen Diamanten her hatte und wie es kommt, dass er nicht mit den anderen Askari zurückgeflogen ist. Abgesehen davon sollten wir auch mal rausfinden, woher van der Laan seine Diamanten bezieht, bevor wir zu ihm gehen.«
Schambacher zuckte mit den Achseln und folgte Togotzes. Seiner Ansicht nach war das Zeitverschwendung, aber vielleicht fehlte ihm auch nur der Biss, weil er sich so müde fühlte.
Es erwies sich als nicht ganz einfach, sich in einem so riesigen Gebäude wie dem Außenministerium zurechtzufinden. Die Tafel in der Eingangshalle, auf der die Büros der verschiedenen Stockwerke angegeben waren, sah so groß und unübersichtlich aus wie die Anzeigetafel im Bahnhof Zoo.
»Hier«, sagte Schambacher, und deutete auf eine Spalte, »hier ist es. Staatssekretariat IV, dritter Stock.«
»Immer ist alles im dritten Stock«, seufzte Togotzes, »immer.«
Sie ließen sich vom Portier erklären, welche Treppen sie nehmen mussten, dann stiegen sie hoch. Im Vergleich zum nüchternen Polizeipräsidium war das Außenministerium voll mit Erinnerungen an die Kaiserzeit. Überall standen Statuen und Kunstgegenstände herum. Geschenke von Staaten und Herrscherhäusern, die es heute gar nicht mehr gab. Auf den Stufen lag ein roter Rupfenteppich, der durch glänzende Messingstangen am Platz gehalten wurde. Die Handläufe waren auf Hochglanz poliert und fühlten sich seidig glatt an. Es war auch lange nicht so laut wie am Alex – die Atmosphäre war vornehm gedämpft. Als sie durch den breiten Flur im dritten Stock gingen, hörten sie aus
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