Das Diamantenmädchen (German Edition)
Revolution, dachte er, dass sie den Adel abgeschafft haben. Aber genutzt hat es ja doch nichts, stellte er resigniert fest, Staatssekretär unter Wilhelm, Staatssekretär heute. Solche Leute fielen immer auf die Füße.
»Können wir einen Namen haben?«, fragte er nach.
»Kronacher«, sagte von Schubert und nahm ein Karteikärtchen zur Hand, auf dem er den Namen wohl notiert hatte. Er reichte ihn an Togotzes weiter. »Ich hatte mir gedacht, dass Sie den Namen brauchen würden. Es wird Ihnen nicht viel nützen. Soviel ich weiß, ist der Mann schon wieder in Afrika.«
Schambacher lehnte sich vor. Eine Frage gab es noch.
»Herr Staatssekretär«, fragte er, ohne ihn anzusehen, »kennen Sie einen Herrn van der Laan?«
Von Schubert antwortete nicht gleich. Er ging wieder um seinen Schreibtisch herum, blieb aber dort stehen. Dann sah er auf, lächelte amüsiert und sagte in heiterem Gesprächston:
»Meine Herren, Sie sind aber fleißig gewesen. Ja, ich kenne Herrn van der Laan. Er … arbeitet für uns. Leider darf ich Ihnen nicht mehr sagen.«
»Det sollten Se aba!«, sagte Togotzes jetzt ärgerlich. »Der Mann is unsa Hauptvadächtijer!«
»Van der Laan?« Von Schubert wirkte ehrlich erstaunt, »van der Laan ist Ihr Hauptverdächtiger? Das ist ja … das überrascht mich. Warum sollte der M’banga umbringen?«
Schambacher zuckte mit den Schultern und stand auf.
»Das wissen wir eben auch nicht. Aber er ist Diamantenschleifer, und M’banga hat Ihnen Rohdiamanten hereingeschmuggelt. Sie haben ihn wahrscheinlich beauftragt, die Diamanten zu schleifen, habe ich recht?«
Von Schubert antwortete nicht, aber er bewegte den Kopf so, dass man es für ein Ja nehmen konnte.
»Meine Herren, ich glaube nicht, dass van der Laan M’banga überhaupt kannte. Aber bitte – ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen.«
Er kam hinter dem Schreibtisch vor und ging zur Tür.
»Und bitte, denken Sie daran – dieses Gespräch bleibt vollständig unter uns. Ich werde Ihnen als Zeuge nicht zur Verfügung stehen, und ich brauche Sie als Polizisten wohl nicht daran zu erinnern, dass die Weitergabe von Staatsgeheimnissen nicht ganz gefahrlos ist.«
Er lächelte wieder so gewinnend wie zu Anfang des Gesprächs.
»Ich bin Jurist«, sagte Schambacher, als er von Schubert die Hand reichte, »ich kenne die Rechtslage.«
»Sehr schön, Herr Kollege!«, sagte von Schubert jovial und begleitete beide zur Tür.
Als sie draußen waren, sahen sich Schambacher und Togotzes an.
»Und nu?«, fragte Togotzes ihn. »Van der Laan schleift Diamanten für die Reichsregierung. Selbst wenn er den Schwarzen umgebracht hat – das wird schwierig.«
Schambacher dachte kurz nach, als sie durch die langen, hohen Flure des Ministeriums gingen.
»Von Schubert lässt ihn fallen«, sagte er dann halblaut, »wenn er es getan hat, lässt er ihn eiskalt fallen. Nur vor der Presse hätte er Angst. Aber unsere schöne Theorie ist beim Teufel – dass er M’banga vielleicht wegen der Diamanten umgebracht hat.«
»Meinst du, von Schubert hat die Wahrheit gesagt?«, fragte Togotzes misstrauisch. Schambacher blieb stehen und sah ihn gespielt mitleidig an.
»Werner«, sagte er, »der Mann hat 1917 Lenin aus der Schweiz nach Russland geschleust und dort die Revolution ausgelöst. Der hat uns genau so viel mitgeteilt, wie wir wissen sollen und was er uns gefahrlos sagen kann. Aber außerdem hat er recht. Diese Diamantensache ist ein Staatsgeheimnis. Wir dürfen nichts von dem verwenden, was er uns gesagt hat, sonst gehen wir selber in die Plötze.«
»Tja«, sagte Togotzes brüsk, »zum Glück ist es nur ein Neger. Wir haben eine Aufklärungsquote von fünfundneunzig Prozent, da müssen eben auch fünf übrig bleiben.«
Schambacher eilte ihm nach einem Moment der Überraschung hinterher.
»Was soll das? Heißt das, wir klären einen Fall nicht auf, in dem wir den Mörder kennen?«
Togotzes ging unbeirrt weiter und lief dann, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppen hinunter.
»Ernst«, sagte er im Gehen, »dieser Fall geht mir schon die ganze Zeit auf die Nerven. Wir haben einen perversen Kindermörder da draußen und heute Morgen haben sie wieder ein Mädchen gefunden. Acht Jahre alt. Meine Nichte Nelly ist auch acht. Wir hätten den Fall bekommen sollen, und wer ist statt uns dran? Nebe. Weil wir unsere Zeit für den Schwarzen verplempern.«
Sie waren am Treppenabsatz. Von Moltke stand dort, in Marmor gehauen, und sah sie vorwurfsvoll an. In
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