Das Disney World Komplott
gemeinsam aufgezogen, um sie unter permanenter Beobachtung zu haben und sofort erkennen zu können, welche von ihnen die Anlage zum Genie zeigten. Kurz vor ihrem dritten Geburtstag sind vierzehn Kinder ausgesucht und der Vormundschaft von Personen unterstellt worden, die wir aus unterschiedlichsten Gründen an der Kandare hatten.«
»Also neunzehnhunderteinundachtzig«, rechnete McCracken. »Oder neunzehnhundertzweiundachtzig.«
»Ja.«
»Und was für eine Rolle spielte dabei Harry Lime?«
»Ihr Bekannter war einer der von uns ausgesuchten Vormunde.«
»Obwohl er längst nicht mehr ganz richtig im Kopf war«, konstatierte Blaine vorwurfsvoll, »und Sie das ganz genau gewußt haben dürften.«
Gloria Rendine-Wilkins-Tate ersparte sich jedes Leugnen. »Unsere Auswahl orientierte sich auch an anderen Faktoren als geistiger Stabilität.«
»O ja, Sie wollten dafür Leute haben, von denen sich, wie bei Harry, leicht vortäuschen ließ, es gäbe sie gar nicht. Personen mit engen, aber mühelos kappbaren Beziehungen zur Regierung. Harry Lime erfüllte alle diese Anforderungen. Und wer hat schließlich den Laden dichtgemacht?«
»Gerüchte sind durchgesickert, und es gab peinliche Vorfälle. Unter Präsident Carter ging es uns wirklich schlecht. Das erklärt die Aktenlage bei Ihrem Bekannten und meinen … Rückzug aus diesem Tätigkeitsbereich.«
»Und was ist aus den Kindern geworden?«
»Nach der Einstellung von Operation Offspring wurden sie ihren Vormunden weggenommen und unauffällig in Waisenhäusern untergebracht.«
»Aber Joshua Wolfe nicht.«
»Nein, anscheinend nicht«, antwortete die Frau mit verwirrter, stockender Stimme. Ihr Blick wurde schärfer, verriet auf einmal Furcht. »Jemand anderes muß die Aufgabe übernommen haben, ihn zu observieren und seinen weiteren Werdegang zu steuern … Dieser Jemand hat die Arbeit dort fortgesetzt, wo wir aufhören mußten.«
»Ich vermute, Sie wissen nicht zufällig, wer dafür in Frage käme?«
»Es könnte jeder sein, der Zugriff auf unsere Forschungsunterlagen hat. Die Liste der Leute, auf die das zutrifft, ist sehr kurz, aber ich muß Ihnen wohl nicht erst erklären, daß sie in Washington nicht unbedingt so blieb.«
»Wäre es möglich, daß es Haslanger ist?«
»Nicht er allein. Es ist ausgeschlossen, daß er über die entsprechenden Mittel für eine solche Unternehmung verfügt.«
»Ich könnte mir denken, daß er einen Sponsor gefunden hat.« Blaine schwieg für einen Moment. »Es wäre ja nicht das erste Mal.«
Er zog das Foto aus der Tasche, das er an der Harvard-Universität in Joshua Wolfes Studentenquartier gefunden hatte, und hielt es Gloria Rendine hin. Sie löste ihre in die Jacke gekrallten Finger, nahm das Foto, hob die an einer Kette befestigte Brille vor die Augen und betrachtete die Aufnahme Harry Limes, der mit einem Lächeln den Arm um die Schulter eines langhaarigen Teenagers gelegt hatte.
»Joshua Wolfe«, erklärte Blaine knapp.
Als die alte Frau aufschaute, schien ihr Blick sich in weiten Fernen zu verlieren. »Zur leichteren Kennzeichnung und Unterscheidung bekamen alle Kinder einen Tiernamen. Ich hätte nicht geglaubt, daß ich eines von ihnen je wiedersehen würde, nicht einmal Wolfe.« Ihre Augen belebten sich wieder. »Was sagten Sie, wo er jetzt ist?«
»Ich habe es nicht erwähnt, aber er studiert an der Harvard-Universität. Jetzt ist er allerdings nicht mehr dort. Schließlich hat sich ja eine ziemliche Katastrophe ereignet.«
»Wovon reden Sie? Sie tun so, als ob ich darüber Bescheid wissen müßte.«
»Ich bin mir sicher, daß Sie längst davon erfahren haben. Die ganze Nation weiß es. Es geht um die Katastrophe im Einkaufszentrum von Cambridge, Miss Rendine. Siebzehnhundert Menschen sind ums …«
»Nein!«
»Joshua Wolfe trägt dafür die Verantwortung, glauben Sie mir. Bisher neigt man zu der Ansicht, es sei ein tragischer Unfall gewesen, ein fehlgeschlagenes Experiment. Aber falls Haslanger im Hintergrund die Fäden zieht, sind tatsächlich Zweifel berechtigt. Und wenn er den Jungen als erster in die Finger kriegt …«
»Das kann doch nicht wahr sein …!« stöhnte die Frau.
»Es ist aber wahr, verlassen Sie sich darauf. Und ich habe noch ein größeres Problem, nämlich Harry Limes Verschwinden. Irgendwer hat ihn kassiert, nachdem er mir sein Herz ausgeschüttet hat.
Sie haben ihm das Kind angehängt, Miss Rendine. Sie haben Harry zum Witwer erklärt, um das Szenario zu komplettieren, und er
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