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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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rücksichtsvoll finde ich, daß, wer immer die Sache entdeckt hat, die lateinische Version aufgegabelt hat. Mein Phönizisch ist, ehrlich gesagt, sehr lückenhaft, besonders die karthagischen Besonderheiten ...« Er grinste.
    Ein Geräusch wie ferner Donner scholl durch das Zimmer. Ariane blickte auf ihre Armbanduhr.
    »Du mußt, schätze ich, noch etwa eine halbe Stunde warten, bis es was zu essen gibt«, sagte sie. »Was hältst du von einem kleinen Nebelspaziergang bis dahin?«
    Baltasar spitzte seinen Mund zu einer voluminösen Schippe. »Bei Nebel und Dunkelheit würden sich die wenigsten Frauen zu einer Wanderung mit mir aufraffen. Weißt du, was du da tust?«
    Ariane zeigte ihre Zähne. »Ich kenne dich ja. Dir ist das da draußen viel zu ungemütlich, außerdem hast du Hunger. Was soll mir also passieren?«
    Baltasar stand ächzend auf und stieg in seine umfängliche Cordjacke, in der manche Kleinfamilie hätte wohnen können.
    »Nun denn, ach ja«, murmelte er. Er faltete das lateinische Karthagerpapier und seinen Zettel mit Bronners Hoteldaten zusammen, steckte alles in eine der geräumigen Innentaschen und bewegte den Kopf auffordernd in Richtung Tür.
    Als sie das Hotel verließen, war der Empfang unbesetzt. Baltasar steckte den Zimmerschlüssel ein. Leise klickend trat er auf die Straße hinaus. Ariane hängte sich bei ihm ein. Sie wanderten eine Weile durch die engen Gassen und blieben hin und wieder stehen, um in die erleuchteten Fenster von Töpfereien, Souvenirläden, Kunstateliers und Webstuben zu schauen. Der Nebel, den einige Laternen noch dichter erscheinen ließen, schloß die Welt aus.
    Schweigend schlenderten sie durch die Gassen, entlang an Wänden aus den graubeigen Steinen des Bergs. Feuchtigkeit hatte die Kopfsteine schlüpfrig gemacht. Am oberen Ende des Dorfes angekommen, fanden sie den Eingang zur Ruinenstadt versperrt; ein etwa hüfthohes Gitter lief quer über die enge Straße. Neben der breiten Tür des rechten Hauses hing ein mehrsprachiges Schild mit Hinweisen auf Öffnungszeiten und Eintrittspreise. Schnaufend flankte Matzbach aus dem Stand über das Gitter und reichte Ariane eine helfende Hand. Sie strichen eine Weile durch die Mauerreste unmittelbar oberhalb des Pförtnerhauses und gelangten schließlich ans südliche Ende des Plateaus. Außerhalb der Mauern und Ruinen wurde der Nebel dünner.
    »Ich habe so ein ungutes Gefühl«, murmelte Ariane, als sie an den Rand des Felsens traten. Die Wände fielen senkrecht zur fruchtbaren Ebene hinunter, die sich bis zur Rhone, zur Camargue und zum Meer erstreckte. Dort war die Luft klar und nebelfrei.
    Ariane wandte sich um und blickte zurück zu den Ruinen. »Das ist eine Geisterstadt«, sagte sie, »neben einem Geistertal, in dem jemand einen Geisternebel veranstaltet.« Sie schüttelte sich.
    Baltasar betrachtete sie besorgt. »Fehlt dir was?«
    Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Mach dir nichts draus«, sagte sie, gewollt schnippisch, »ein kleiner Anfall von Empfindsamkeit. Geht gleich vorbei.«
    Sie sah wieder auf die Ebene hinaus. Matzbach hatte zwar keine düsteren Empfindungen, aber ihn faszinierte der brodelnde Nebel zwischen den letzten Ruinen, der oberhalb des Orts vom Nachtwind erfaßt, durchsucht und zerfetzt wurde. Als Baltasar sich umwandte und neben Ariane trat, nahm er aus den Augenwinkeln eine undeutliche Bewegung wahr. Er blickte erneut zurück und ergriff dabei Arianes Arm.
    »Was ist?« Als er nicht antwortete, trat sie einen Schritt vom Rand des Plateaus zurück und drehte sich dann um.
    Drei Personen kamen schnell und zielstrebig auf sie zu, vermutlich Männer. Sie hatten Mäntel an, und als sie nahe genug waren, sah Ariane, daß sie Masken trugen. Nylonstrümpfe, die nur kleine Schlitze für Augen, Nasen und Münder offenließen.
    Baltasar ging ihnen entgegen. Mit der linken Hand zog er Ariane mit sich, die rechte hatte er in seine Jackentasche gesteckt.
    »
Bonsoir, Messieurs
«, sagte Matzbach ohne besondere Betonung. Er ließ Ariane los, die mit einem Blick zurück feststellte, daß etwa zehn Meter zwischen ihr und dem Abgrund waren.
    Die drei sinistren Figuren blieben stehen, als seien sie unschlüssig. Zwei von ihnen waren etwa gleich gebaut, ungefähr einsachtzig, schlank bis drahtig, soweit sich das unter den Mänteln erraten ließ. Der Dritte war ein wenig kleiner, wohl auch korpulenter; er stand in der Mitte. Er zog die rechte Hand aus seiner Manteltasche; mit einem trockenen Schnalzen sprang die

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