Das Doppelgrab in der Provence
ausbrechen, bis auf einen, und der soll ewig eitern.«
Ariane klopfte ihm auf die Schulter. »Mach's halblang«, sagte sie. »Hauptsache, du lebst noch.«
Baltasar stand auf. Er verzog das Gesicht, als er den Fuß belastete. »Das ist eine Minimalforderung, mit der ich mich nicht zufriedengeben kann.«
Mit seiner unverletzten Hand berührte er kurz und relativ sanft Arianes Wange.
»Ich danke dir für den hilfreichen Beistand, Weib«, murmelte er. »Ich hoffe, man hat dir nichts Übles zuleide getan.«
Ariane seufzte. »Nicht genug damit«, beklagte sie sich bei der Nachtluft, »daß man in deiner Gesellschaft seines Lebens nicht mehr sicher ist, nein, hinterher auch noch dein Geschwätz anhören zu müssen!«
Dann starrte sie mit großen und immer größer werdenden Augen auf die Jackenpartie über Baltasars Herz; dort steckte noch immer das Messer.
»Was ...« Sie streckte die Hand aus.
Baltasar grunzte, schnalzte, legte die linke Hand um den Griff des Messers und zog es mit einem Ruck heraus.
»Was? Ein Messer«, sagte er.
»Ja, aber ...«
Grimmen Antlitzes öffnete Baltasar die Jacke. Es war ihm unmöglich, mit der linken Hand die linke Innentasche zu erreichen. Auf seine Aufforderung hin griff Ariane zu und förderte ein ledergebundenes Notizheft zutage, das durchstochen war; außerdem ein ledernes Zigarrenetui, dessen Vorderseite einen Schlitz aufwies. Die Rückseite war heil.
Sie öffnete es. Es enthielt zwei schwarze Zigarren, wie Baltasar sie normalerweise rauchte, und eine helle. Die helle war von der Messerspitze erwischt worden. Baltasar nahm sie, betrachtete sie mißmutig und warf sie fort.
»Ausgerechnet«, sagte er trübe. »Leistet man sich einmal den Luxus namens Montecristo ... Diese eine kostet so viel wie ein ganzes Kästchen meiner üblichen Brasil. Und ausgerechnet diese eine muß das schwarze Schwein mit seinem Küchenmesser perforieren.«
Ariane lächelte wider ihren Willen. »In diesem Fall war das offenbar ein überlebenswichtiger Luxus«, sagte sie. Dann begannen ihre Knie zu zittern, und sie ließ sich auf einen Stein nieder.
Als sie eine halbe Stunde später zum Hotel zurückkamen, hatte sich der Abendnebel fast völlig verzogen. Baltasar, der nach langem Suchen seine Pistole gefunden hatte und sie leger in der linken Hand hielt, spähte auf dem Heimweg in alle Ecken.
»Na ja, vorläufig sind sie weg«, sagte er, als sie die Hoteltür hinter sich schlossen. Der Hotelier stand am Empfangstisch und blickte ihnen lächelnd entgegen.
»Ah, Madame, Monsieur. Haben Ihre Freunde Sie gefunden?« Dann bemerkte er Arianes derangiertes Aussehen und die blutige Seide um Matzbachs rechte Hand und stand auf.
»
Mon Dieu
, was ist passiert? Sind Sie gestürzt?«
Baltasar schüttelte den Kopf und steckte ostentativ seine Pistole ein.
»Nein,
mon ami
, wir hatten ein Gespräch mit ein paar Galgenstricken.«
»
Des voyous? Ici? Ah, mais
...« Er zögerte. »Waren es vielleicht drei Männer?«
Baltasar nickte; Ariane sagte: »Wieso? Woher wissen Sie das?«
»Also, drei Männer waren hier, vielleicht vor einer Stunde. Sie haben gesagt, sie hätten eine wichtige Nachricht für Monsieur Mazbak von Monsieur Bronner. Da ich nicht wußte, daß Sie nicht im Haus waren, habe ich sie zu Ihrem Zimmer geschickt. Sie sind nach ungefähr zehn Minuten wieder heruntergekommen, haben sich verabschiedet und sind gegangen.«
Ariane verzog das Gesicht. »Dann sollten wir wohl mal nachsehen«, sagte sie.
Zu dritt stiegen sie die enge Treppe empor, die zum ersten Stock und zu ihrem Zimmer führte. Die Tür war angelehnt, drinnen brannte Licht. Das Schloß, Baujahr vermutlich 1840, war mühelos gesprengt worden.
Das Zimmer sah pittoresk aus. Ariane seufzte, Baltasar klickte mit der Zunge, und der Hotelier schüttelte den Kopf.
»Ich hoffe sehr«, sagte er, »daß nichts fehlt. Aber es sieht nicht gut aus ...«
Baltasar hob seine umwickelte Hand. »Sagen Sie, haben Sie die notwendigen Utensilien? Verbandszeug, vielleicht ein wenig Jod?«
Der junge Mann entschuldigte sich und verschwand. Als er mit einem Verbandskasten wieder auftauchte, hatten Baltasar – soweit er eingreifen konnte – und Ariane die gröbste Unordnung beseitigt.
»Alles, was fehlt«, setzte Matzbach dem Hotelier auseinander, »sind ein paar Papiere, glaube ich.«
Dann stand er auf und hinkte ins Bad, wo er mit Hilfe der Zähne den luxuriösen Seidenverband entfernte und die Hand mit lauwarmem Wasser wusch. Anschließend dienten
Weitere Kostenlose Bücher