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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Pförtnerhaus noch nicht geöffnet war. Im unentschiedenen Frühlicht inspizierten sie die Bühne der dramatischen Szenerie des Vorabends. Ariane fand das Schnappmesser. Vorsichtig hob sie es auf und wickelte es in eines von Matzbachs riesigen Taschentüchern.
    Sie streiften durch die Ruinen. Alles war noch feucht von Tau. Auf den glitschigen Steinen war es nicht ganz ungefährlich, den höchsten Punkt des alten Donjon zu erklimmen, wo ob der frühen Störung unwirsche Vögel sie ankeiften.
    Unter ihnen dehnte sich die Ebene aus. Matzbach betrachtete die Windungen der Straße. Auf der anderen Seite ragten die schroffen Felsen des Kessels von Les Baux auf. Die durch die Alpilles nach Saint-Rémy führende Straße war ebensowenig einzusehen wie die nordwestlich an der Abbaye de Montmajour verlaufende Straße nach Arles.
    »Wenn Bronner tatsächlich hier oben nach jemandem Ausschau gehalten hat«, murmelte Baltasar, »dann kann dieser Jemand nur von Süden gekommen sein.« Er streckte den Arm aus und deutete auf die Windungen der Straße, die zur Ebene hinabführte.
    Ariane blinzelte. »Ja, schön, aber was soll's? Was glaubst du, wie viele Autos hier Mitte Oktober noch entlangfahren? Auch mit einem Fernglas kannst du nicht unbedingt die Kennzeichen entziffern. Und auf Verdacht nach einer bestimmten Marke Ausschau zu halten ist ja wohl ziemlich bescheuert.«
    Baltasar beugte sich über das Geländer und starrte in die Tiefe. Er memorierte die Landkarte.
    »Du hast zwar recht«, sagte er dann, »aber nun paß mal auf. Die Straße gabelt sich da unten, nicht wahr? Der rechte Arm führt zur ›Nationale‹ nach Arles. Der linke Arm geht in Richtung Salon. Wenn unser Freund also Besuch erwartet, dann, da er in Draguignan und Cassis war, bestimmt nicht aus Arles, sondern eher aus Salon. Er kann sich also auf diese eine Straße konzentrieren.«
    Arlane nickte. »Klar. Kann er. Sein hypothetischer Besuch kann aber auch durch die Berge von hinten kommen.« Sie deutete auf den Felsenrand des Kessels.
    Baltasar hob die Brauen. »Der nämliche Besuch wird dies bestimmt nicht getan haben; da hinten die Straße, das sind bis Saint-Rémy fast nur Serpentinen. Hier vorn geht das alles sehr viel schneller. Ich frage mich bloß, wonach er Ausschau gehalten hat. Man kann ja von hier oben den einen Wagen vom anderen wirklich erst dann unterscheiden, wenn es zu spät ist.«
    Beim Abstieg brummte er unausgesetzt vor sich hin. Als sie die Ruinen hinter sich gelassen hatten, sagte er plötzlich: »Es müßte schon ein sehr ausgefallener Wagentyp sein, den man so weit sehen kann. Und dann? Jemand kommt und hält unten auf dem Parkplatz. Dann steigt er aus und kommt in die Cité, um Bronner zu suchen. Wenn er Bronner kennt, dann kennt er auch Bronners Wagen, also wird jemand auf dem Parkplatz zurückbleiben, schätze ich; es sei denn, Bronners Wagen wäre nicht da. Hm. Bronner sieht den Besuch nahen, stürzt zurück ins Hotel, telefoniert eilig mit mir. Inzwischen sind die lieben Gäste auf dem Parkplatz angekommen oder kurz davor, je nachdem. Bronner verschwindet aus dem Hotel. Was dann?«
    Sie gingen am Hotel vorbei zum Ortseingang. Baltasar blieb an der Kurve neben dem Postamt stehen und deutete auf den unteren Parkplatz.
    »Siehst du, den kann er von hier aus sehen; vom oberen Parkplatz nur die Zufahrt, aber so früh am Tag wird der untere wohl noch nicht voll gewesen sein. Bronner könnte sich hier« – er deutete auf eine kleine Gasse gegenüber dem Postamt – »verdrücken und beobachten, was auf dem Parkplatz vor sich geht. Die Halunken steigen aus und kommen ins Dorf, um nachzusehen, ob er hier in einem Hotel hockt. Er läßt sie vorbei, läuft zu seinem Wagen und haut ab.«
    Ariane nickte; dabei zog sie eine spöttische Grimasse. »Klar, Dicker, nur sag mir zwei Dinge. Woher wissen die, daß Bronner hier ist oder hier sein könnte? Und zweitens: Wenn sie ihn schon verfolgen, kennen sie, wie du vorhin bemerktest, bestimmt sein Auto, lassen also einen Posten zurück. Oder?«
    Baltasar wandte sich wortlos um; sie gingen zum Hotel zurück. »Fest steht nur«, sagte er mürrisch, »daß Bronner irgendwas gesehen hat, was ihn zu schleunigem Aufbruch trieb. Außerdem steht fest, daß ich jetzt frühstücken will.«
    Beim Frühstück leisteten ihnen zwei Menschen Gesellschaft: ein wegen frühen Aufstehens vergrätzter Lokalreporter einer provençalischen Zeitung und ein weiterer Beamter der Gendarmerie. Baltasar diktierte dem Reporter ein

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