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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ähnliches Thema unterhalten. Wir sind zusammen, weil es uns Vergnügen bereitet, aber niemand ist gefesselt. Ich genieße jederzeit deine Nähe, holde Fürstin meines Gemüts, aber ich bin kein Monarchist. Was also deine Lehensherrschaft über mein Seelenleben angeht, so erstreckt sich der Feudalismus nicht auf alle Gebiete meines Kosmos. Ich habe einem Freund etwas versprochen. Stell dir vor, du hättest mich um Hilfe gebeten. Außerdem interessiert mich die Sache. Ich bin zwar nicht scharf auf Dolche, aber sie werden mich nicht hindern. Ich schlage dir einen Kompromiß vor.«
    »Als Kompromißler kenne ich dich gar nicht. Ich bin gespannt.«
    »Wir suchen ein schönes Hotel, in dem du dich eine Weile entspannst, während ich weitermache. Wenn die Sache beendet ist, hol ich dich da wieder ab.«
    Ariane zündete sich eine Zigarette an. Sie inhalierte tief und dachte nach. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Das ist zwar gut gemeint, aber du übersiehst etwas. Die haben mich mit dir zusammen gesehen. Mindestens einer von ihnen hat Grund, mir böse zu sein, wegen des Steins. Wie soll ich sicher sein, daß sie nicht über mich herfallen, wenn ich irgendwo einen Spaziergang mache?«
    Baltasar nickte bedächtig. »Das stimmt natürlich.« Er sagte nichts weiter. Ariane brach nach etwa einer Minute das Schweigen. »Außerdem frage ich mich, weshalb die Gentlemen Masken trugen, wenn sie uns doch ohnehin umbringen wollten.«
    »Wahrscheinlich wollten sie nur Papiere. Ich nehme an, sie hätten uns niedergeschlagen und gefilzt, wenn wir uns nicht gewehrt hätten.«
    »Beim nächsten Mal werden sie also gründlicher vorgehen, oder?«
    Baltasar stieß einen Knurrlaut aus, der alles und nichts bedeuten konnte.
    »Oder meinst du, sie lassen uns in Ruhe?«
    »Das glaube ich nicht. Was immer Bronner getan, gefunden oder angestellt hat, es muß wichtig genug sein, daß eine Expedition nach Les Baux geschickt wird, die Spuren beseitigen, Unterlagen beschlagnahmen und Zeugen einschüchtern soll. Und wenn das so wichtig ist, dann werden sie nicht mit
einem
Versuch aufhören. Von Rache und ähnlichen simplen Sentiments gar nicht zu reden.«
    Ariane drückte ihre Zigarette aus und stand auf. Sie ging zum Schrank und suchte aus den mühsam wieder eingeräumten Beständen Wäsche, eine Bluse und einen Rock. Während sie sich anzog, sagte sie bitter: »Es bleibt mir also gar nichts übrig, als entweder sofortige Abreise nach Übersee zu verlangen oder mitzumachen, wie?«
    »So sieht es aus, mein Herz.«
    »Laß mich mit deinen inneren Organen zufrieden! – Willst du Modesty Blaise aus mir machen?«
    Matzbach kicherte und musterte sie mit einem mehrdeutigen Grinsen. »Deine körperlichen Vorzüge in allen Ehren«, sagte er dann höflich, »aber intellektuell bist du dieser zweifelhaften Dame so weit überlegen, daß es eine Frechheit wäre, dich solchermaßen zu unterfordern.«
    Kurze Zeit später klopfte der Hotelier. Bei ihm war ein Angestellter des Hotels, der einen Werkzeugkasten trug. Als dritter Mann erschien mit ihnen ein müder Gendarmerieoffizier, der den Zustand der Tür und des Zimmers musterte, unverständliche Silben murmelte und ein paar Notizen in ein Büchlein kritzelte. Dann erteilte er die Erlaubnis zur Reparatur.
    Der Hotelier bat sie an die Bar. Dort kredenzte er ihnen Noilly Prat mit Eis und legte ihnen die Speisekarte vor. Matzbach bestand darauf, den Gendarmerieoffizier, der hungrige Augen hatte, zum Essen einzuladen. Der Hotelier ließ einen Tisch am Fenster über dem jetzt schwarzen und nebelfreien Abgrund decken. Der Speiseraum war kaum besetzt: lediglich zwei weitere Tische mit insgesamt fünf Personen. Baltasar forderte den Hotelier auf, sich zu ihnen zu setzen. Der Offizier zwinkerte. Die Tränensäcke unter seinen müden Augen wurden fast übergangslos zu tiefen Falten, die Mund und Nase einkerbten und zwischen denen das gepflegte Menjou-Bärtchen sich verlor. Der Hotelier gehörte zu den bedauernswerten Männern, die sich zweimal täglich rasieren müssen; da er die zweite Rasur bisher nicht vorgenommen hatte, wirkte er neben dem korrekten Offizier und sogar neben dem nicht eben akkuraten Matzbach ein wenig deplaciert. Während er auf seiner erloschenen
maïs
kaute und zwischendurch an einem Cognac nippte, lauschte er mit offensichtlicher Faszination Matzbachs Berichterstattung. Baltasar ließ sich auch durch einen Teller mit grünem Salat und heißer Geflügelleber nicht vom Reden abhalten; Ariane hatte

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