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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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nicht nach Nordosten reisen. Weiterhin appelliert man an meine Beharrlichkeit und rät mir schon wieder, den großen Mann zu sehen.«
    Er blickte auf. »Immer dieser große Mann. Diesmal kann ich es ja wohl nicht sein, oder? Auf dem geziemenden Platz ist Heil in der Beharrlichkeit, denn dadurch werden Zucht und Maße im Land wiederhergestellt, sagen die Chinesen, und Weisheit ist im Stehenbleiben und im Der-Gefahr-vonfern-Zusehen. Außerdem habe ich eine Obere Sechs, und die sagt mir das gleiche noch mal. Nicht Gehen, Kommenlassen und Den-großen-Mann-Sehen. Pah.«
    Ariane schlüpfte unter die Kombination aus Laken und Wolldecken. Sie gähnte. »Dich möchte ich sehen, wie du Zucht und Maße förderst.«
    Er hörte nicht zu. Gedankenschwer fragte er den wurmstichigen Kleiderschrank: »Was sollte ich denn auch im Nordosten? Andererseits: Was soll ich im Südwesten? Ach, ich weiß nicht.«
    Ariane kicherte. »Schön, dich ratlos zu sehen. Übrigens bin ich zu müde für eine andersartige Interpretation deines Orakels. Daß du's nur weißt.«
    Matzbach nickte. »Ausgezeichnet. Dann kann ich ja endlich mal ein gutes Buch lesen.«
    »Tust du so was? Ich dachte, du hättest dich endgültig dem Irrationalen und dem Orakeln ergeben.«
    Matzbach würdigte sie keines weiteren Blickes und ging ins Bad.
    »Du weißt«, murrte er später, als er mit der
Kritik der praktischen Vernunft
in Händen dalag, »daß mir der Glaube an den Verstand fehlt, um ein guter Rationalist zu sein. Allerdings verstehe ich zuviel von Irrationalem, um diese Bizarrerien vernünftig zu finden. Wenn ich zu Hause wäre, müßte ich mich die ganze Nacht mit diesem Widerspruch plagen, aber zum Glück habe ich Ferien, und da kümmert es mich nicht.«
    Den Samstag verbrachten sie friedlich im Südwesten, indem sie Daudets Mühle besichtigten, auf den Trümmern einer kleinen römischen Wasserleitung herumturnten und hier, da und dort etwas aßen. Abends brütete Baltasar über dem Testament, kam aber nicht zu lichtvollen Erkenntnissen.
    Am Sonntag fuhren sie vorsichtig nach Südosten; nach einer Speisepause am alten Hafen von Marseille ging es weiter nach Cassis. Sie nahmen ihr von Les Baux aus vorbestelltes Hotelzimmer in Besitz und anschließend eine gründliche Inspektion der Hafenkneipen vor. Abends, bei einer Fischsuppe, fragte Ariane jäh: »Sag mal, glaubst du, daß die wieder auftauchen?«
    Baltasar verschluckte sich. »Wer?« stieß er mühsam hervor, nachdem er sich ausgehustet hatte.
    »Na, die netten Messerwerfer.«
    »Ach, warum eigentlich nicht? Die oder andere.«
    »Welche anderen?«
    Er sah sich um. Als er sicher war, daß niemand gezielt lauschte, sagte er halblaut: »Na, alle, die an dem Testament und an Bronner interessiert sein könnten.«
    Ariane musterte ihn aufmerksam. »Meinst du, es könnten mehrere sein? Verschiedene?«
    Er beschrieb mit seinem Löffel einen Halbkreis der Ratlosigkeit. »Was weiß ich? Der einzige Verschiedene bisher dürfte der gute William Bronner sein, denke ich.«
    »Hmpf?«
    »Na, sieh mal: Messerstecher, und zwar bestimmt keine Profis, suchen nach einem Papier, nehm ich an. Nach welchem Papier? Dem Testament? Wenn sie wissen, was drin steht, brauchen sie es nicht. Wenn sie es nicht wissen, können sie es nicht dringend suchen. Alles andere, wilde Spekulationen über mögliches Interesse und geheimnisvolle Andeutungen, ist mir zu albern. Gesetzt den Fall, Bronner hat jemandem das Ding geklaut. Dieser Jemand wird sicherlich noch ungefähr den Wortlaut wissen, also hat er keinen Grund, mit Messern auf andere Menschen loszugehen. Es sei denn, er will es partout geheimhalten – dann hätte er längst Bronners Gepäck durchsuchen können, bevor wir angekommen sind. Also, denke ich mir in meinem dicken Kopf, geht es weniger um das Testament als um etwas, was Bronner vielleicht zusätzlich herausbekommen hat. Und wovon der Interessent annimmt, Bronner könnte es, auf die eine oder andere Weise, dem mysteriösen Matzbach übermittelt haben. Also werden die Gepäckstücke erst durchsucht, nachdem wir uns damit befaßt haben, und anschließend will man uns durchsuchen.«
    »Kompliziert, aber ausreichend unwahrscheinlich«, sagte Ariane. »Bloß, welche Interessenten könnten es sein?«
    »Bronner hat mir am Telefon was von Assassinen erzählt, und in diesem Stückelbrief von Druiden. Das sind schon zwei, wenn sie nicht identisch sind, obwohl Druiden und Assassinen kaum etwas miteinander gemein haben. Dann denk mal über

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