Das Doppelgrab in der Provence
irgendwo, an vier verschiedenen Stellen, Gold, Juwelen und Münzen herum, denen dieser Karthager detaillierte Unterlagen über seine Reisen, seine Handelsbeziehungen und eine Zusammenfassung der druidischen Lehren im prärömischen Gallien beigefügt hat. So schreibt er wenigstens. Es gibt jetzt wieder einmal zwei Möglichkeiten. Entweder ist das Testament eine Fälschung, oder es ist echt. Echt hieße, von jemandem abgeschrieben und fotokopiert; wahrscheinlich hat dieser Maharbal den ganzen Kram auf Tontäfelchen oder frühem Pergament oder so festgehalten. Wenn es gefälscht ist, muß diese Fälschung irgend einen Sinn haben – niemand, außer vielleicht Leute wie ich, macht sich aus Spaß eine solche detaillierte Mühe. Gefälscht hieße, jemand soll gefoppt werden. Wer sollte wen so kompliziert foppen? Im übrigen ist das zunächst einmal sekundär, denn wenn wir uns den Kreis der potentiellen Interessenten ansehen, spielt es keine Rolle, ob das Ding echt ist oder falsch, denn nur die, die an einem echten Fund dieser Art brennend interessiert wären, würden für eine Foppung in Frage kommen.«
Ducros nickte; Ariane, die zwischendurch nicht zugehört hatte, sagte verwirrt: »Wieso? Was meinst du?«
»Na, das ist doch ganz einfach. Geld und einzigartige historische Dokumente – ob echt oder falsch, Interessenten dafür können nur Historiker, Archäologen, Numismatiker und generell an Geld interessierte Leute sein.«
»Damit«, sagte Ducros trocken, »grenzen Sie den Kreis der Interessenten natürlich sehr eng ein. An Geld ist wirklich kaum jemand interessiert, außer der gesamten Bevölkerung Frankreichs.«
Baltasar grinste. »Richtig. Aber gehen wir doch mal langsam vor. Angenommen, dieses Ding fiele dem Chef einer Bande von Wagenschiebern in die Hände. Meinen Sie, er würde nicht wenigstens versuchen festzustellen, wo das Geld liegt, und sich vielleicht überlegen, an wen er die Dokumente verkaufen soll? Ein Historiker würde sicher zunächst die Dokumente haben wollen, aber meinen Sie, er würde die Münzen oder Juwelen liegenlassen? Selbst ein staatstreuer Journalist, der die Funde brav dem zuständigen Ministerium übergeben würde, müßte doch ein ausgemachter Schwachkopf sein, wenn er nicht sähe, daß da für ihn der große Knüller ist, wenn er das Zeug findet. Er kann es zwar nicht behalten, aber ausschlachten, äußerst profitabel, wahrscheinlich.«
Sie schwiegen eine Weile. Ducros seufzte schließlich abermals und sagte: »Ich werde mich umhören. Aber wer, um Himmels willen, soll denn die Verstecke finden, bei den Angaben, wenn es überhaupt welche sind?«
Baltasar zündete seine erloschene Zigarre wieder an. »Ich, zum Beispiel, habe bis jetzt in meinem Geiste mindestens fünf Lösungsmöglichkeiten ausgearbeitet, die alle falsch sind. Vielleicht sind diese ganzen Ortsangaben nichts anderes als Reiseetappen, wer weiß? Jedenfalls werde ich demnächst meine Behauptung, die Sache interessiere mich, dahingehend ergänzen, daß ich sie gelöst habe. Mal sehen, ob sich dann Interessenten melden.«
»Womit wir bei der Post wären«, murrte Ducros und streckte verlangend die Hand aus. Baltasar bewegte abwehrend den Zeigefinger seiner rechten Hand.
»Moment, Moment, wir müssen da noch etwas klären. Arbeiten wir zusammen?«
Ducros warf in einer übertriebenen Geste der Resignation die Hände in die Luft. »Also gut. Ja, verdammt.«
Ariane wandte sich ab, damit Ducros sie nicht schmunzeln sah. Baltasar sortierte die Briefe, Karten und Telegramme und reichte Ducros den ganzen Stapel, bis auf zwei Briefe und ein Telegramm. Ducros las schnell und konzentriert. Unsichtbar unter ihnen rauschte das Meer. Über ihren Häuptern zeterte eine Möwe, irgendwo in der Nähe knackte ein Ast. Die Rauchsäulen zweier Zigaretten und einer Zigarre kräuselten sich gen Himmel. Baltasar betrachtete versonnen Arianes klares Profil vor dem Hintergrund des seidiggrauen Firmaments, streckte die Hand aus und berührte ihre Stupsnase mit der Fingerspitze. Ariane zwinkerte ihm zu, ohne den Kopf zu drehen, und hauchte einen Kuß auf Matzbachs Zeigefinger.
Ducros räusperte sich. »Ich bedaure, Ihre Intimität zu unterbrechen, aber ich bin fertig. Das ist das Übliche, möchte ich meinen. Redliche Leute, die empört sind über einen Mordversuch in den ehrwürdigen Ruinen von Les Baux; Leute, die einmal vor Jahren einen Menschen namens Bronner, Brunner, Brun oder Bruno gekannt haben. Normalerweise wird so etwas an die
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