Das Doppelgrab in der Provence
komplizierte Geschichte.«
»Machen Sie es kurz und einfach.«
»Na schön. Ich habe Ihnen doch erzählt, daß nach Bronners Beschreibung der Mann, der seinen Wagen geklaut hat, wahrscheinlich ein Knabe namens Laurent Vergès ist. Wir wissen, können aber bisher nicht beweisen, daß Vergès ein kleiner Fisch in der großen Bande von Jérome Grimaud ist.«
»Wer ist Jérome Grimaud?«
»Ein großer Haifisch. Marke Edelmann mit Vergangenheit. Er hockt in seiner Villa mit Privatzoo auf der Insel Porquerolles, züchtet Tauben und sammelt Briefmarken und hat seine noblen Finger in allem stecken, wo Geld an ihnen kleben bleiben kann. Ich sage Ihnen das im Vertrauen, und Sie vergessen es bitte schnell – ich gehöre einem Sonderstab an, dessen Aufgabe es ist, langsam und geduldig zu versuchen, Grimaud und seine Leute einzukreisen. Bisher ohne Erfolg. Nun gab Bronner diese Personalbeschreibung an, und ein paar Wochen später wurden Sie und Sie, Madame, in Les Baux überfallen. Es kann sein, daß beide Dinge nicht in Zusammenhang stehen, es kann aber auch sein, daß die Bande beteiligt ist. Wir nehmen an – mit einiger Gewißheit, aber nicht mit ausreichenden Beweisen –, daß Grimauds Leute so ziemlich in allem die Finger haben, was an dieser Mittelmeerküste läuft. Wagenschiebung sowieso, aber das ist ein kleiner Nebenprofit. Wußten Sie, daß immer noch ein relativ prosperierender Mädchenhandel existiert? Dazu kommen Erpressungen, Einflußnahmen auf Wirtschaft und Politik, Entführungen; wenn Sie wollen: das ganze Mafia-Spektrum. Außerdem könnte Grimaud der größte Rauschgiftgrossist in dieser nicht ganz unwichtigen Ecke Europas sein. Mädchen- und Waffenhändler ist er auf jeden Fall, außerdem nehmen seine Leute wahrscheinlich Mordaufträge gegen Barzahlung an.«
»Und Sie sehen im Geist schon die Schlagzeile ›Kommissar Ducros sprengt
French Connection
Nummer zwei‹, wie?«
Ducros warf den Grashalm fort und zündete seine Zigarette an. »Ich bin nur halb so eitel wie Sie. Aber Sie sehen sicher ein, daß ich jede halbwegs interessante Spur verfolgen muß, nicht wahr? Außerdem ...«
Er zögerte. Matzbach betrachtete ihn nachdenklich und wartete. Ducros schwieg lange. Schließlich murmelte er: »Was soll's? Wozu ein Geheimnis daraus machen? Also, Grimaud ist natürlich unzugänglich. Er lebt wie ein guter Grandseigneur und läßt andere arbeiten. Ich schätze, er hat früher durchaus selbst Hand angelegt, aber das hat er nicht mehr nötig. Seit ungefähr zehn Jahren überläßt er alle sichtbaren Geschäfte einem – ja, wie soll man das nennen? – Generalmanager, Adjutant, ich weiß es nicht. Ein Kolumbianer, Javier Evaristo. Kennen Sie Kolumbianer, Matzbach?«
»Ich weiß nur, daß Kolumbien die besten Taschendiebe und Hobbykiller der westlichen Hemisphäre ausbildet und exportiert. Und daß zum Beispiel die Unterwelt von Barcelona und Madrid ziemlich fest in ihren Händen ist.«
Ducros nickte. »Nicht nur in Spanien. Dieser Evaristo sieht aus wie ein Filmschauspieler, ein alternder Don-Juan-Darsteller,
distingué
und graumeliert. Ich weiß, daß er eigenhändig mindestens vier Kollegen erschossen hat.«
»Wessen Kollegen? Seine?«
Ducros verzog den Mund. »Meine«, sagte er bitter, »und mit zweien von ihnen war ich sehr eng und sehr lange befreundet.«
Matzbach interessierte sich für Einzelheiten. Ducros war zunächst widerwillig, dann berichtete er von den Kommissaren Philibert und Saintonges. »Beide sind innerhalb von fünf Monaten an der gleichen Stelle erschossen worden. Beide waren hinter Leuten her, die Kokain per Schiff nach Frankreich bringen. Beide Male war Evaristo in der Nähe, aber er hatte natürlich weder eine Waffe noch ein Gramm von dem Zeug dabei, und niemand hat was gesehen. Es war hier ganz in der Nähe, an einem unübersichtlichen Küstenstück. In der Nähe stehen die Reste eines alten Bunkers, den Ihre Vorfahren angelegt haben, damals, Sie wissen schon. Es gibt eine holprige Zufahrt zu einer kleinen Bucht, und die Zufahrt haben wir diskret kontrolliert. Da war natürlich niemand. Was wir nicht kontrolliert haben, war ein alter, kaum zu begehender Ziegenpfad über die Küstenhügel. Am Ende geht er unter überhängenden Felsen hindurch zum Strand. Sehr riskanter Weg, und die Kollegen waren leichtsinnig genug, anzunehmen, da könnte niemand langgehen. Offenbar konnte Evaristo. Er muß oben irgendwo einen Wagen gehabt haben, aber die möglichen Fahr- und Parkflächen sind
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