Das Doppelgrab in der Provence
sollten, dann wissen die Beobachter, daß Sie jetzt hier bei mir sind. Was machen Sie dann? Glauben Sie, irgendein, sagen wir. Testamentsinteressent fällt noch auf Ihre Verwirrungsversuche rein, wenn er damit rechnen muß, daß Sie alles mit mir abgesprochen haben? Und vor allem dürfen Sie eines nicht vergessen: Sie und Ihre charmante Freundin sind in Lebensgefahr.«
Baltasar wischte den Einwand vom Tisch. »Sie wollten mir den Bericht über Evaristo und Ihre beiden toten Kollegen zeigen.«
Ducros rümpfte die Nase, brach in eine Hustensalve aus und verschwand in einem Nebenzimmer. Als er zurückkam, knallte er die Tür hinter sich zu und warf Matzbach einen Ordner in den Schoß.
Baltasar blätterte. Beide Todesfälle waren ähnlich. Man hatte einen Tip aus der Unterwelt bekommen, daß an einem bestimmten Tag in der Bunkerbucht Kokain übergeben werden sollte. Beide Kommissare waren zum Zeitpunkt ihres jeweiligen Hinscheidens Evaristo auf den Fersen gewesen und schienen nur noch ein Steinchen zu einem Mosaik zu brauchen – hatten aber versäumt, die anderen Steinchen ihren Kollegen zur Kenntnis zu bringen. Nach Philiberts Tod fing Saintonges wieder von vorne an. Und hinterließ ebenfalls keine verwertbaren Informationen, wie Ducros brummend bemerkte.
Man hatte die holprige Zufahrt diskret überwacht – nichts tat sich. Philibert war allein – auf ausdrücklichen eigenen Wunsch und wegen des kaum für Versteckspiele geeigneten Geländes wohl auch aus Vorsicht – zur Bucht hinuntergeschlichen. Weiter weg stand ein Jeep auf einer Felsfläche, von der aus nur ein Ziegenpfad für Schwindelfreie zur Bucht führte. Der Jeep hatte dort schon lange gestanden. Irgendwann tauchte Evaristo neben dem Wagen auf und stieg ein. Man hielt ihn an und untersuchte den Kolumbianer und den Jeep gründlichst. Ohne Ergebnis – keine Waffe, kein Kokain. Der Bericht vermerkte lediglich, Evaristo habe Arbeitskleidung getragen – Cordhose und graue Tuchjacke – und sich über die Möwen beschwert, die im Sturzflug ihr Gedärm über seiner Jacke entleert hätten. Kommissar Philibert fand sich am Strand, mit einer Kugel im Kopf. Evaristo sagte, er habe ihn dort so angetroffen und sei schnell geflüchtet, »bevor man mir das in die Schuhe schiebt«.
Der zweite Fall verlief fast in allen Details gleich. Tip aus der Unterwelt, ein einsamer Jeep, Kommissar Saintonges klettert zur Bucht hinab, man hört keinen Schuß, nichts. Evaristo taucht neben dem Jeep auf und teilt den Beamten mit: »Da unten liegt schon wieder ein toter Kommissar. Wo holt ihr den Nachschub her?« Beide Male behauptete Javier Evaristo, er sei dort unten zum Baden gewesen und habe nichts gesehen oder gehört. Natürlich, sagte Ducros, habe Evaristo die Kollegen erschossen – aber wie, womit, wozu? Wie war er dorthin gekommen? Seit wann hatte der Jeep da gestanden?
Baltasar gab den Ordner zurück. »Ich werde darüber nachdenken, nachdem ich Ihnen nun den Rücken gekehrt haben werde«, sagte er. »Leben Sie wohl, und denken Sie an unsere Abmachungen.«
Ariane hatte die dritte Illustrierte ohne Begeisterung beendet. Sie atmete auf, als Baltasar sich wieder zu ihr setzte, diesmal ohne Ducros.
»Na, was habt ihr ausgebrütet?«
Matzbach setzte ihr auseinander, was er mit dem Kommissar zusammengefügt hatte, und verwies auf die möglichen Risiken des weiteren Vorgehens.
Ariane winkte ab. »Darüber haben wir nun schon ein paar Unterredungen geführt. Du brauchst mich ja nicht gerade in die Schußlinie zu stellen, aber mitmachen werd ich schon.«
»Du klingst so verändert. Gestern wolltest du von allem nichts wissen.«
»Gestern ist lange her. Inzwischen habe ich mich einen ganzen Tag erholen können – Luxus! – und einen schönen Rundflug über Camargue und Provence gemacht. Ich bin in bester Laune.«
Maspoli hatte Baltasars Anweisungen an der Rezeption vorgefunden und seinerseits einen Zettel hinterlassen: »Ich sehe Sie abends.« Baltasar schnaubte und entwendete der Hoteldirektion die versprochene Schreibmaschine. Ariane holte sich ein weiteres Buch aus ihrer assortierten Reiselektüre und setzte sich neben eine Tasse Kaffee an die Hotelbar, während Matzbach mit der Maschine aufs Zimmer ging.
Es kostete ihn eine kleine Weile und viele Verschreiber, bis er die französische Tastatur und Typenverteilung begriffen hatte. Dann legte er gewaltig los. Zunächst entwarf er in bestem Französisch ein Telegramm an Monsieur Grimaud, dessen Adresse Ducros
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