Das Doppelgrab in der Provence
Tagesablauf. Er war am Vormittag zum Hotel gekommen und hatte Matzbachs Anweisungen vorgefunden. Dann war er nach Lacaze gefahren, um in den beiden Lokalen des kleinen Orts Erkundigungen über das Leben des großen Autors Demlixh einzuziehen. Jemand hatte ihm den Tip gegeben, zu einem Feld zu fahren und Deschamps zu suchen.
»
Et voilà
– hier sind wir.«
Maspoli schob Deschamps die Speisekarte zu.
Matzbach hatte seinen großzügigen Tag. »Betrachten Sie sich beide als eingeladen, Messieurs«, sagte er.
Als auch Deschamps gewählt und bestellt hatte, kamen sie zur Sache. Alphonse Deschamps bedurfte offenbar nicht der Vermittlung durch den Reporter. Er konnte seine Sache selbst vorbringen.
»Ich will Ihnen zuerst sagen«, stellte er halblaut fest, »daß ich nicht immer hier auf dem Land war. Ich bin als Junge nach Marseille gegangen, habe im Hafen und in Fabriken gearbeitet, später auch in Toulon. Dann bin ich in eine Messergeschichte verwickelt worden und habe einige Zeit auf Staatskosten leben dürfen. Deshalb habe ich das, was ich weiß, nicht weitererzählt, bis heute. Wenn es um einen Schriftsteller und einen Arzt geht – wer glaubt da schon einem vorbestraften Landarbeiter?«
Er sagte das ohne Bitterkeit, so, wie man sich über Regen oder andere unabwendbare Naturereignisse äußert.
Der Kellner brachte Rotwein; Maspoli vermißte sichtlich die mollige Serviererin, die für einen anderen Teil des Speiseraums zuständig war.
Deschamps trank einen Schluck. »Also, um es kurz zu machen«, sagte er, »ich war mit Louise befreundet, der Haushälterin von Demlixh.«
In der nächsten Stunde erfuhren sie viele interessante und uninteressante Dinge aus Deschamps' Leben, aus dem Haushalt des Phantastikers und aus der langen, wirren Liaison zwischen Alphonse und der verblichenen Louise.
»Wissen Sie, wir waren beide nicht besonders treu. Natürlich sind die Möglichkeiten, sich zu zerstreuen, auf dem Land begrenzt, aber es gibt sie. Ich war mit einer netten Person aus Draguignan befreundet, neben Louise, und Louise hatte sich in einen dieser komischen Druiden vergafft, die manchmal bei Demlixh rumhängen. Natürlich wußte sie nicht, wer er ist, die sind ja immer maskiert, aber sie hat von seinem Gang geschwärmt. Und dann ist Ihr Freund Bronner gekommen, Monsieur, und den hat Louise wohl auch ganz interessant gefunden. Sie sehen, auf dem Land ist was los.«
Ariane hatte dem Monolog mit Aufmerksamkeit gelauscht. »Sie sehen nicht so aus, als ob Sie sehr traurig wären, Monsieur Deschamps.«
Deschamps schnitzte ein abstraktes Muster in sein Steak und hob die Brauen. »Doch, natürlich bin ich traurig. Sehen Sie: Wir hatten uns schließlich geeinigt, daß wir vielleicht doch mal heiraten sollten, und ich hatte meine Beziehungen zu dieser Dame in Draguignan abgebrochen. Und schwupps ist Louise tot, einfach so, und ich kann wieder von vorn anfangen.«
Maspoli grinste. »Was mir an ihm so besonders gefällt, ist seine Sentimentalität.«
Deschamps aß ungerührt weiter. »Zur Sache. Der Polizei habe ich nichts gesagt, sie hat mich auch nicht gefragt. Am Tag, als abends diese geheimnisvolle Fischvergiftung geschehen sein soll, habe ich mich nachmittags kurz mit Louise getroffen. Ich hatte auf einem Feld oberhalb von Demlixhs Villa zu tun, und sie ist raufgekommen und hat mich gefragt, ob ich abends zu ihr kommen und mit ihr in der Küche essen wollte. Sonst, sagte sie, macht Bronner nur wieder lange Finger.«
»Was war das für ein Tag?« sagte Matzbach.
»Der Dienstag.«
Matzbach kalkulierte: Es mußte sich um den Dienstag handeln, an dem Bronner und er frühmorgens telefoniert hatten – den Dienstag, an dem Bronner aus Les Baux verschwunden war.
»Also: Bronner war an dem Tag bei Demlixh?«
»Ja, Monsieur. Louise kam nach dem Mittagessen aufs Feld. Sie meint, niemand vermißt sie, weil die Herren erregt und verärgert miteinander diskutieren. Abends soll es einen Lammrücken geben, und da muß sie ohnehin noch Kräuter sammeln. Sie sagt noch, Gott sei Dank nur Lammrücken und keinen Fisch oder so was, also wird sie nicht so viel zu tun haben. Ich hatte aber keine Lust, abends mit ihr Reste zu essen.«
Matzbach strahlte. »Schön. An dem Tag, an dem Louise an einer Fischvergiftung gestorben ist und Demlixh sich auf den Tod strapaziert hat, hat es also gar keinen Fisch gegeben?«
»So ist es, Monsieur.«
»Und Bronner ist von Les Baux aus zu Demlixh gefahren?«
»Ja, Monsieur. Das heißt, ich kann
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