Das Doppelgrab in der Provence
es mit der verhüllenden (kapuzenartigen?) Tarnkappe des Zwergs (Zwergenkönigs) Alberich = Elferich und dem Nibelungenschatz im Wasser? Was ist mit der falschen Nonne des Lieds von den zwei Königskindern, die beim Übergang über ein Wasser eine Laterne ausbläst und den Jüngling zum Tod befördert? Hat nicht auch eine Nonne eine verhüllende Kopfbedeckung? Wie steht es mit den wallenden Nebeln über gewissen heiligen Seen der keltischen Tradition, was ist mit dem Fischerkönig des Grals-Mythos? Sie werden bei intensiver Nachforschung eine furchterregende Menge ähnlicher Bilder in allen Mythenkreisen finden, und hierbei spielt es keine Rolle, ob das jeweils heilige Wasser der Styx, der Nil, der See von Tenochtitlán oder der Brahmaputra ist.
Zusammengefaßt: Mir scheint die übernatürliche, d. h. für uns auf der Grenze von Tod und Leben, Jenseits und Diesseits (oder gar außerhalb) balancierende Akrobatenfigur des Elfenkönigs in Ihrem geschätzten Werk unterrepräsentiert zu sein. Der betreffende Charakter bei Goethe (oder Poul Anderson) ist wohl nur ein Glied in einer unendlich langen Kette gleichartiger oder ähnlicher Figuren. Und vergessen Sie nicht die verhüllten Druiden, denen das Wasser so wichtig ist!
Ich hoffe, Sie werden mir wegen dieser Vorschlagsliste nicht böse sein – fassen Sie sie bitte nicht als Mängelkatalog, sondern als Anregung für ein zweites Erlkönig-Buch auf. Bei Gelegenheit würde ich über dieses Thema gern länger mit Ihnen diskutieren, wenn ich mich aufdrängen darf. Zunächst jedoch bin ich vollauf mit der Enträtselung dieses karthagischen Testaments beschäftigt, das in Zusammenhang mit den oben angeführten Phänomenen steht. Ich habe – wie ich glaube berechtigte – Hoffnungen, in den nächsten Tagen jene Stelle zu finden, an der Maharbal die Aufzeichnungen über die druidischen Lehren vergraben hat. Auch bei der Enträtselung (Enthüllung) des Testaments spielt Wasser eine wichtige Rolle. Tod und Leben sowieso.
Was halten Sie eigentlich von der Behauptung des Karthagers, er sei jenseits des Meeres im Sonnenuntergang gewesen, was ja wohl nur Amerika heißen kann?
Übrigens schulde ich Ihnen, als Kollege (gewissermaßen), eine kleine Information, die diskret zu behandeln ich Sie bitte – lassen Sie nicht verlauten, von wem Sie es gehört haben. Ich wurde nach meinem Besuch bei Ihnen von einem Kommissar befragt; seinen Andeutungen entnehme ich, daß man Zweifel an der Vergiftung hegt und Ihre arme Haushälterin exhumieren und obduzieren will. Ich finde die darin enthaltene Unterstellung empörend. Aber vielleicht irre ich mich. Ich hatte nur das Gefühl, ich sollte es Ihnen mitteilen.
In der Hoffnung, Sie bald mit interessanten Funden überraschen zu können, verbleibe ich mit besten Grüßen
Ihr B. Matzbach.«
Er rauchte eine Zigarre, entspannt und ständig grinsend. Danach steckte er den Durchschlag des Briefs ein. Das Original faltete er säuberlich, schob die Blätter in das vom Hotel zur Verfügung gestellte Kuvert und versah den Umschlag mit Demlixhs Adresse.
Er verließ das Zimmer, erstand am Empfang eine Briefmarke und warf das Schreiben in den Briefkasten neben der Bushaltestelle vor dem Hotel. Der Kasten sollte noch abends geleert werden; Matzbach rechnete damit, daß Demlixh den Brief am folgenden Tag erhalten würde, und verschob die Aufgabe des Telegramms an Grimaud bis zum Morgen.
Ariane und Baltasar saßen beim Abendessen, als Maspoli auftauchte. Der Reporter war nicht allein; er schleppte einen kleinen, drahtigen, dunkelhaarigen Mann an ihren Tisch.
»Alphonse Deschamps«, stellte er ihn vor. Sie setzten sich. Baltasar betrachtete den neuen Gast.
Deschamps konnte nicht viel älter sein als Ende Zwanzig. Er trug eine zerschlissene blaue Hose, ein Flanellhemd und eine ältliche Jacke; sein Gesicht und die Hände waren vom Wetter gezeichnet, die kräftigen Finger hatten stumpfe, rissige Nägel mit Trauerrändern.
»Alphonse ist Bauer«, sagte Maspoli überflüssigerweise. »Sein Vater hat einen kleinen Hof in den Bergen hinter Lacaze – Lavendel und ein bißchen Gemüse zum Eigenbedarf. Alphonse arbeitet für ihn und andere, wenn er gebraucht wird.«
Deschamps nickte und lächelte verschmitzt. Er hatte wache Augen. »Springender Ernteeinsatz, Sie verstehen«, sagte er. Dann wandte er sich an Ariane: »Madame, darf ich rauchen?«
Maspoli blätterte zerstreut in der Speisekarte und erzählte unzusammenhängende Geschichten über seinen
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