Das Doppelgrab in der Provence
zurechtgemacht, als ich bei ihm war. Ich hatte mich ja angekündigt, und da hat er sich grau angezogen und mit hochgelegten Beinen in Filzpantoffeln den Genesenden markiert. Er schreibt phantastische Sachbücher, und für ihn ist dieser angeblich in China und Amerika gewesene Karthager doch ein Geschenk des Himmels – Mann, was kann er daraus für ein Garn spinnen! Der Doktor Herbin – er hat wahrscheinlich das Testament besessen und durch einen Windstoß verloren. Was wollte er damit, und vor allem: Wie ist er daran gekommen? Offenbar haben die Druiden etwas damit zu tun, denn Bronner hat in einem halben Satz mit Ausrufezeichen auf sie verwiesen. Ich weiß aber bisher nicht, was sie damit zu tun haben sollen. Schließlich Grimauds Leute, die Bronners Wagen gestohlen haben, in dem möglicherweise Material zu diesem Testament war – eine Kopie, eine Übersetzung, eine Skizze, was weiß ich. Jedenfalls fährt Grimauds Adlatus, wie ich gesehen habe, zu Demlixh. Und Grimaud hat einen Zoo. Vielleicht fehlen ihm da jetzt zwei Skorpione.«
Erschöpft holte er Luft. Ducros warf ein: »Großartig. Eine Serie unbeweisbarer Mutmaßungen. Und weiter?«
»Weil das alles nur heiße Luft ist«, sagte Baltasar ernst, »will ich ein bißchen Verwirrung stiften. Ich werde Grimaud, wenn Sie mir endlich seine Adresse geben, ein Telegramm schicken und ihn an einen anderen Ort bestellen – nicht Les Baux, aber einen weiteren falschen Ort. Gleichzeitig schicke ich Demlixh einen irren Vorschlag für ein neues Buch mit ein paar Einzelheiten aus dem Testament, die ihn aufregen müßten. Er wird das bestimmt an seine Druiden weitergeben. Mal sehen, was passiert. Wenn Grimaud oder seine Leute auf das Telegramm reagieren, wissen wir, daß sie in Les Baux waren, denn ich werde natürlich nur in Andeutungen reden. Außerdem werde ich den Archäologen durch undeutliche Anspielungen verunsichern, wenn ich mich noch mal nach dem genauen Fundort erkundige. Man muß die Sache in Bewegung bringen.«
Ducros sah aus dem Fenster. Er spitzte die Lippen, als ob er pfeifen wollte. Halblaut sagte er: »
Cher ami
, Sie haben zu viele Kriminalromane gelesen. Die Verbrecher dazu bringen, sich in Bewegung zu setzen und dabei Fehler zu machen, wie? Sagen Sie mir doch lieber zuerst einmal, aus welchen Gründen Bronner umgebracht worden sein soll, wenn er nicht noch lebt.«
Baltasar betrachtete ihn mißmutig. »Weiß ich nicht. Wenn ich das wüßte, wäre ich schlauer. Es ist klar, daß er nicht wegen dieses karthagischen Testaments umgebracht worden ist. Ich schätze, daß die vage Möglichkeit, vielleicht irgendwo irgendwas zu finden, kein ausreichender Anlaß für einen Mord ist.«
Ducros lächelte, zufrieden, wie es schien. »Also, fassen wir zusammen, Herr Detektiv«, sagte er. »Sie haben da ein Testament, von dem Sie nicht wissen, ob es echt ist und ob Sie es richtig interpretieren. Ihre geometrische Auslegung der Hinweise ist beeindruckend, aber keineswegs sicher. Zweitens haben Sie eine Serie von Behauptungen und Vermutungen, die einen zur Zeit unauffindbaren deutschen Staatsbürger betreffen. Er kann sich genausogut mit einer kleinen Freundin in ein Hotel in den Alpen zurückgezogen haben und nun darauf warten, wie weit Sie, ein gefoppter Pseudodetektiv, in Ihren Bemühungen gehen. Drittens haben Sie, von der Voraussetzung ausgehend, daß Bronner nicht mehr lebt – was, wie gesagt, unbewiesen ist –, eine Reihe von möglichen Bösewichtern: Doktor Herbin, Edmund Demlixh, irgendwelche Druiden, einen verkümmerten Archäologen, eine Bande von Wagenschiebern unter der Leitung des großen Grimaud. Und ich soll Ihnen irgendwas davon glauben?«
Baltasar grinste ihn an. »Genau, Ducros. Sie sollen mir das alles abnehmen, und Sie sollen mir bei der Verifizierung dieser Märchen helfen.«
Ducros stemmte die Ellenbogen auf die Schreibtischplatte und starrte Matzbach ins Gesicht. »Ich will verdammt sein, und ohne Zweifel waren schon meine Eltern erblich geisteskrank; aber ich werde Ihnen helfen. Ich bin nämlich inzwischen fast davon überzeugt, daß Sie recht haben.«
Baltasar trank seinen Espresso aus. Ducros musterte ihn, abwechselnd grinsend und kopfschüttelnd. Er zündete sich eine neue Zigarette an und hustete mitleiderregend.
»Eine andere Frage«, keuchte er schließlich, »ist unsere offensichtliche Zusammenarbeit.«
»Wie meinen Sie das?«
»In Cassis haben wir uns ja versteckt und angemault und so. Wenn Sie tatsächlich beobachtet werden
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