Das Doppelspiel
was man mit ihm anstellte?
»Jetzt einen Fernsehapparat!« sagte Jankow klagend. »Das sollte man sehen!«
»Das möchte ich auch«, antwortete Shukow ehrlich.
Er schwieg abrupt. Ein Sprecher schilderte kurz den bisherigen Verlauf. Man hatte Ben Lauritz verhaftet, als er im Ersatzteillager überrascht wurde, wie er heimlich funkte. Ein Vorarbeiter und ein Lagerarbeiter hatten es gesehen und die Miliz gerufen. Ben hatte sich widerstandslos festnehmen lassen und alles gestanden.
Shukow griff nach einer Zigarette und behielt sie, ohne sie anzuzünden, zwischen den Lippen. Da stimmt doch etwas nicht, dachte er sofort. Ben ist doch kein Idiot! Im Ersatzteillager einer Traktorenfabrik funken, wo jeder hinkommt, wo ein Verkehr ist wie auf dem Broadway. Das kann doch niemals stimmen! Ben hatte beim Abschluß des Lehrgangs die Note 1,7 … er war damit unter den ersten zehn. Und plötzlich stellt er sich so ungeheuer blöd an?
»Jetzt fragt unser Mann«, sagte Major Jankow und gab Shukow Feuer. Er war unruhig wie ein Sprinter vor dem Startschuß. »Jetzt knallt's!«
Und dann ging es wirklich Schlag auf Schlag. Frage – Antwort. Vermutungen – Erklärungen. Es war gespenstisch, was Ben Lauritz da sagte.
»Sie heißen?« hörte man jemand fragen. Es war ein Oberst des KGB, wie der Sprecher vorher erklärt hatte.
»Ben Lauritz«, kam leise die Antwort.
»Sie sind Amerikaner?«
»Ja. Geboren in Georgia.«
»Sie sind im Dienstrange eines Majors?«
»Ja.«
»Sind Angehöriger des amerikanischen CIA?«
»Ja.«
Shukow rauchte und blickte gegen die Holzdecke des Zimmers. Ben, was ist los? dachte er. Deine Stimme ist klar wie immer. Das klingt nicht nach Drogen und Gehirnwäsche. Ben, mach bloß keinen Quatsch! Laß dich von der Angst nicht wegtragen. Du kommst doch zurück! Sie tauschen dich aus! Ben, glaub nicht, was sie dir erzählt haben! Du wirst nicht in Sibirien verschimmeln!
Ben Lauritz redete weiter. Kaum war eine Frage gestellt, platzte seine Antwort wie ein Gegenschuß hinein.
»Sie hatten den Auftrag, in der Sowjetunion zu spionieren?«
»Ja.«
»Sie hatten den Auftrag, in Wolgograd die Entwicklung der neuen Panzer zu beobachten und Einzelheiten zu melden.«
»Nein.«
Der KGB-Oberst schien verblüfft zu sein. Es entstand eine Pause. Das Surren der Kameras war jetzt das einzige, was man hörte. Nein? Wieso denn nein? Beim Verhör in der vergangenen Nacht war alles klar gewesen. Da hatte Ben Lauritz versprochen, die volle Wahrheit zu sagen. Man hatte ihm dafür angeboten, daß er in der Nähe von Moskau in ein Wartelager komme, bis er ausgetauscht werde. Fast eine Art Kuraufenthalt, immer verglichen mit Sibirien.
»Nicht?« Die Stimme des KGB-Obersten hob sich. »Der Auftrag des CIA war doch genau umrissen! Sie sind nach Rußland gekommen in der Maske eines sowjetischen Arbeiters, haben in Wolgograd eine Stelle bekommen und arbeiteten dort seit einem Jahr.«
»Das stimmt alles«, sagte Ben Lauritz. Shukow kaute an der Unterlippe, Major Jankow schnaufte laut vor Erregung und Begeisterung. »Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Ich hatte mehrere Aufträge –«
Ben, bist du verrückt geworden, schrie es in Shukow. Ben! Junge! Halt die Luft an!
»Meine Hauptaufgabe war es –« und jetzt sprach Ben schnell und doch sehr laut und artikuliert, was Shukow sofort auffiel – »die neue Raketenbasis Werchokrassnoje zu erreichen! Das habe ich getan! Es ist alles erledigt! Vollkommen erledigt!«
»Bravo, Boy!« sagte in diesem Augenblick in Fort Patmos General Orwell. »Das hast du glänzend hingekriegt! Jetzt kannst du erzählen, was du willst.«
Der Raum war vollgestopft mit Offizieren des CIA. Vom Fernsehen aus Kuba wurde das Verhör übertragen. Vier große Farbfernsehgeräte standen im Zimmer. Das Bild war so klar, als stünde Ben vor ihnen, als könne man ihm jetzt für diese Glanzleistung die Hände drücken. Die Offiziere applaudierten, bis Orwell abwinkte.
Jeder sah deutlich die Verlegenheit, in die der KGB-Oberst gekommen war. Eine für seine Karriere tödliche Verlegenheit, denn nun wußte die ganze Welt, daß in Werchokrassnoje eine neue Raketenbasis bestand. Eines der größten Geheimnisse der Sowjetunion war entschleiert. Jetzt abzuschalten und von einer technischen Störung zu sprechen, war sinnlos.
Ben Lauritz lächelte schwach in die Kameras. Und dann sagte er etwas, was niemand erwartet hatte:
»Damit können wir die Sendung beenden. Ich halte ab jetzt den Mund und wenn man mich
Weitere Kostenlose Bücher