Das Dorf der Katzen
als ob er einen Ziegelstein hingelegt hätte.
„Damit müssen bis übermorgen Vormittag die hier…“, er hatte in seine Reisetasche gegriffen und eine große Packung Patronen auf den Tisch geknallt, „…gefüllt werden. Als Aufschlagzerleger. Füllungsfreigabe ab fünf Zentimetern. Magazinfähig. Ballistische Eigenschaften unverändert. Verschossen werden sollen sie mit dem hier!“ Er warf das in einem Futteral eingewickelte Gewehr neben die Tasche und blickte Sokrates auffordernd an. „Geht das?“
Sokrates blickte von Ioannis zu den Gegenständen auf dem Tisch und wieder zurück.
„Da fehlt aber noch was“, sagte er.
Ioannis grinste schief.
„Hätte ich fast vergessen.“ Er griff in seine Jackentasche und zog ein Kuvert heraus. „Eintausend, ok?“
Sokrates nickte. Er nahm die Patronenschachtel hoch.
„ 7,62 x 51 mm NATO “, sagte er. „Kein Problem, das Werkzeug dafür hab ich da.“
Die beiden Männer sahen sich mit Verschwörermienen an. Schließlich hielt Sokrates es nicht mehr aus und brach in lautes Lachen aus. Er hieb Ioannis auf die Schulter.
„Filos, da hast du mir ja was wirklich Exotisches mitgebracht! Uranmunition! Das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht. So was brauchen eigentlich nur ganz böse Buben, die Panzer knacken wollen. Du hast doch nicht etwa so etwas vor?“
Er lugte wieder über den oberen Rand seiner Brillengläser und drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger.
Ioannis lachte auch. Das unbezahlbar Gute an Sokrates war, dass er nur die Arbeit sah und nichts Genaues über die Hintergründe hören wollte. Dass er aber jetzt doch nachfragte, war verständlich.
„Nein, mein Freund. Es geht um etwas anderes. Ich kann jetzt nicht darüber sprechen, aber ich schwöre bei meinen Eltern, dass diese Munition nicht gegen Menschen oder menschliches Eigentum verwendet wird. Es tut mir leid, aber das muss dir im Moment genügen. Später vielleicht mehr.“
Er blickte zu dem alten Mann, der eine Patrone aus der Schachtel genommen hatte und wie geistesabwesend zwischen Daumen und Zeigefinger hin- und her rollte.
„Geht schon in Ordnung, Ioannis“, sagte Sokrates schließlich. „Ich kenne dich gut genug, um dir zu vertrauen. Du wirst schon wissen, was du tust. Letztendlich ist es ja kein Kapitalverbrechen, mit so einer Spezialmunition zu schießen, das machen die Militärs weltweit schon seit Jahrzehnten.“
Er reichte Ioannis die Hand.
„Komm übermorgen vormittags, so gegen halb neun Uhr, bis dahin bin ich fertig“, sagte er.
Ioannis nickte dankbar. Er hatte früher nie geglaubt, wie wichtig es war, die richtigen Leute zu kennen, die richtigen Freunde zu haben. Heute hatte er wieder erfahren müssen, dass es nicht nur wichtig, sondern sogar überlebenswichtig sein konnte.
Zufrieden verließ er den Laden von Sokrates. Bisher war alles recht reibungslos verlaufen. Hoffentlich war das ein gutes Vorzeichen!
Noch in seinem Hinterstübchen öffnete Sokrates das Kuvert. Ein Aufleuchten ging über sein Gesicht, als er die Tribünenkarte für das Fußballendspiel in sechs Wochen und die dazu gehörigen Hin- und Rückflugtickets nach Athen herauszog.
Das war ihm mehr wert als tausend Euro.
Ioannis ging durch das Akandias-Tor hinaus auf die unterhalb der Stadtmauer führende Straße und hielt ein Taxi an.
„Odos Konstantinidi, parakalo“, sagte er zu dem Fahrer. Dort stand das kleine Hotel seines Onkels, wo für ihn immer ein Platz zum Schlafen frei war.
ΦΦ ΦΦ
Sie warteten an einem Bergeinschnitt, wo seinerzeit die Bauarbeiter für die Straße einen Durchstich in den Bergrücken gesprengt hatten. Links und rechts ragten die steilen Felswände fast zehn Meter hoch und verloren sich in der Dämmerung.
Sie waren zu acht und sie hatten es auf Vera abgesehen.
Die Scheinwerfer ihres Jeeps waren noch etwa einen Kilometer entfernt.
Vera fuhr zügig, aber nicht schnell. Sie hatte ihre gute Laune wiedergewonnen und sie fühlte auch den alten Optimismus in sich. Auf jeden Fall waren die Leute von Illasandria in Sicherheit; einen ihrer Meinung nach wesentlichen Teil ihrer Rolle in diesem Spiel hatte sie erfolgreich gespielt.
Aus dem Autoradio kam irgendein griechischer Schlager, mit reichlich Schmelz und Herzschmerz gesungen. Vera empfand diese Art von Musik als bei weitem nicht mehr so fremdartig, wie noch vor ein paar Tagen bei der Taxifahrt vom Flughafen, aber so richtig hatte sie sich noch nicht an die orientalischen Melodiebögen gewöhnt.
Der Jeep
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